Der Rößleswirt von Cannstatt.
Als nach der Einnahme von Paris im Jahr 1871 Bismarck mit Jules Favre
den Frieden zu handeln anfing, da wollte Favre die Bedingungen nicht annehmen,
die ihm Bismarck auferlegte, mit dem Bemerken, die Deutschen brauchten
den Mund gar nicht so voll zu nehmen, ihre Truppen seien durch den Krieg
so heruntergekommen, daß sie über kurz oder lang so wenig mehr
könnten wie die französischen. Bismarck erwiderte nichts, sondern
klingelte nur. Als der Diener erschien, sagte er kurz: "Man schicke
den Rößleswirt von Cannstatt herein!" Dies geschah sofort.
Als Favre den Rößleswirt sah, kratzte er sich hinter den Ohren
und sagte nichts mehr, sondern unterschrieb stillschweigend die Bedingungen.
Denn der Rößleswirt war nicht nur der dickste Mann in seinem
Regiment, sondern auch in der ganzen württembergischen Felddivision,
hatte auch durch den Feldzug von seinem dicken Bauch nichts eingebüßt.
So hat der Rößleswirt von Cannstatt das Vaterland in seinem
Teil gerettet, nicht durch besondere Tapferkeit, sondern dadurch, daß
er auf seinen behäbigen Wanst wohl achthatte, daß davon nichts
abgehe. (Schwaben)
Quelle: Rudolf Kapff,
Schwäbische Sagen, Jena 1926, S. 168.
aus: Leander Petzoldt, Historische Sagen, Mit Anmerkungen und Erläuterungen,
Band II, Baltmannsweiler 2001, Nr. 613, S. 132.