Wilhelm Tell. Die drei Waldstädte.

Von den drei Waldstädten ist Uri zuerst mit Erlaubnis des Römischen Reiches ausgereudet und bewohnt worden. Dann kamen die Römer nach Unterwaiden, endlich die Schweden nach Schwyz und ließen sich hier mit Erlaubnis des Römischen Reiches nieder. Viele Zeiten und Jahre saßen die drei Länder in guter Ruhe, bis die Grafen von Habsburg in ihre Nähe kamen. Diese Grafen gaben ihre Töchter den Grafen von Tirol zur Ehe und hielten große Freundschaft mit ihnen. Später wurde ein Graf Rudolf von Habsburg zum römischen König eingesetzt. Er wurde so mächtig, daß er alle Lande ringsum an sich zog, Thurgau, Zürichgau, Aargau, und das bewerkstelligte er mit Hilfe seiner Freunde, der Grafen von Tirol, die er zum Danke dafür zu Herzögen von Österreich machte.

Als Rudolf etliche Jahre König war, schickte er in die Länder und bat sie, ihm untertänig zu sein, so wollte er von ihnen eine bescheidene Steuer für das Reich fordern, wollte sie dafür aber beschirmen, sie mit frommen Leuten bevögten, nicht wegnehmen vom Reiche und sie bei allen ihren Rechten und Freiheiten lassen. Die Länder gingen darauf ein, und der König hielt ihnen, was er versprochen hatte, solange er lebte. Als er gestorben war, wurden die Vögte hochmütig, je länger, je strenger. Sie meinten, die Länder müßten tun, was sie wollten. Das dauerte fort, bis des Königs Geschlecht ausgestorben war und die Grafen von Tirol, die durch die Frauen des Hauses Habsburg von ihnen herstammten, in den Besitz seiner Lande, Schlösser, Leute und Güter kamen.

Quelle: Wilhelm Vischer, Die Sage von der Befreiung der Waldstätte nach ihrer allmählichen Ausbildung, Leipzig 1867, S. 33 ff. (Das weiße Buch von Sarnen, 1470).
aus: Leander Petzoldt, Historische Sagen, Mit Anmerkungen und Erläuterungen, Band II, Baltmannsweiler 2001, Nr. 603, S. 125.