Der Vogt von Wolfenschiessen.
In der Zeit war ein Biedermann auf Altsellen, der eine hübsche Frau
hatte. Der Vogt, der hier Herr war, wollte die Frau haben, es wäre
ihr lieb oder leid. Sie tat wie eine fromme Frau und bat, er möchte
sie mit seinen Reden unbekümmert lassen. Das aber half nichts; denn
der Herr meinte seinen Mutwillen mit ihr zu treiben, kam auf Altsellen
in das Haus, als der Mann ins Holz gefahren war, zwang die Frau, ihm ein
Bad zu machen und sprach, sie müßte mit ihm baden. Die Frau
bat Gott, daß er sie vor Schande behütete, und da Gott die
Seinen noch nie verlassen hat, wenn sie ihn in Nöten anrufen, so
kam inzwischen der Mann nach Hause und fragte, was ihr fehlte. Als sie
es ihm erzählt hatte, wurde er sehr zornig, ging hin, schlug den
Herrn mit seiner Axt zu Tode und erlöste seine Frau von der Schande.
Quelle: Wilhelm Vischer,
Die Sage von der Befreiung der Waldstätte nach ihrer allmählichen
Ausbildung, Leipzig 1867, S. 33 ff. (Das weiße Buch von Sarnen,
1470).
aus: Leander Petzoldt, Historische Sagen, Mit Anmerkungen und Erläuterungen,
Band II, Baltmannsweiler 2001, Nr. 605, S. 126 f.