Bestattung der thebanischen Helden
Vom ganzen Stamme des Oidipus war jetzt, außer zwei Söhnen
der gefallenen Brüder, nur noch Ismene übrig. Von ihr erzählt
die Sage nichts; sie starb unvermählt oder kinderlos, und mit ihrem
Tode erlosch das unselige Geschlecht. Von den sieben Helden, die gegen
Theben ausgezogen waren, entkam dem unglücklichen Sturme und der
letzten Schlacht der König Adrastos allein, den sein unsterbliches
Roß, Arion, von Poseidon und Demeter erzeugt, auf geflügelter
Flucht rettete. Er erreichte glücklich Athen, nahm dort seine Zuflucht
als Schutzflehender an dem Altar der Barmherzigkeit und flehte, einen
Ölzweig in der Hand, die Athener an, ihn zu unterstützen, daß
er die vor Theben gefallenen Helden und Mitbürger zu ehrlicher Bestattung
sich erstreiten könnte. Die Athener erhörten seinen Wunsch und
zogen unter Theseus mit ihm zu Felde. Die Thebaner wurden gezwungen, die
Beerdigung zu gestatten. Nun errichtete Adrastos den Leichnamen der gefallenen
Helden sieben getürmte Scheiterhaufen und hielt am Asopos, dem Apollon
zu Ehren, ein Wettrennen. Als der Scheiterhaufen des Kapaneus brannte,
stürzte sich seine Gattin, Euadne, des Iphis Tochter, hinein und
verbrannte zugleich mit ihm. Der Leichnam des Amphiaraos, den die Erde
verschlungen hatte, war nicht zum Begräbnis aufgefunden worden. Es
schmerzte den König, seinem Freunde diese letzte Ehre nicht bezeigen
zu können. "Ich vermisse", sprach er, "das Auge meines
Heeres, den Mann, der beides war, der trefflichste Seher und der tapferste
Kämpfer im Streit!" Als die feierliche Bestattung vorüber
war, errichtete Adrastos der Nemesis oder Vergeltung einen schönen
Tempel vor Theben und zog mit seinen Bundesgenossen, den Athenern, wieder
aus dem Lande.