Glaukos und Diomedes
Auf dem Schlachtfelde rannten jetzt der Lykier Glaukos, der Enkel des Bellerophontes, und der Tydide Diomedes aus den Heeren hervor und begegneten voll Kampfgier einander. Als Diomedes den Gegner in der Nähe sah, maß er ihn mit den Blicken und sprach: "Wer bist du, edler Kämpfer? Noch nie bist du mir in der Feldschlacht begegnet, doch jetzt sehe ich dich vor anderen weit hervorragen, da du es wagest, dich meiner Lanze entgegenzustellen; denn mir begegnen nur Kinder, die zum Unglück geboren sind. Bist du aber ein Gott, der sterbliche Gestalt angenommen hat, so begebe ich mich des Kampfes. Ich fürchte den Zorn der Himmlischen und verlange nicht ferner nach dem Streite mit unsterblichen Göttern. Doch wenn du ein Sterblicher bist, so komm immerhin heran, du sollst dem Tode nicht entgehen!" Darauf antwortete der Sohn des Hippolochos: "Diomedes, was fragst du nach meinem Geschlecht? Wir Menschen sind wie Blätter im Walde, die der Wind verweht, und der Frühling wieder treibt! Willst du es aber wissen, so höre: mein Urahn ist Aiolos, der Sohn des Hellen, der zeugte den schlauen Sisyphos, zeugte den Glaukos, Glaukos den Bellerophontes, Belerophontes den Hippolochos, und des Hippolochos Sohn bin ich. Dieser schickte mich her gen Troia, daß ich anderen vorstreben und der Väter Geschlecht nicht schänden sollte." Als der Gegner geendigt, stieß Diomedes fröhlich seinen Schaft in die Erde und rief ihm mit freundlichen Worten zu: "Wahrlich, edler Fürst, so bist du ja mein Gastfreund von Väterzeiten her! Oineus, mein Großvater, hat deinen Großvater Bellerophontes zwanzig Tage lang gastlich in seinem Hause beherbergt, und unsere Ahnen haben sich schöne Ehrengeschenke gereicht, der meine dem deinen einen purpurnen Leibgurt, der deinige dem meinen einen goldenen Henkelbecher, den ich noch in meiner Behausung verwahre. So bin ich denn dem Wirt in Argos und du der meinige in Lykien, wenn ich je dorthin mit meinem Gefolge komme.
Darum wollen wir uns im Schlachtgetümmel beide mit unseren Lanzen
vermeiden. Gibt es doch für mich noch Troianer genug zu töten,
und für dich der Griechen genug! Uns aber laß die Waffen miteinander
vertauschen, damit auch die anderen sehen, wie wir uns von Väterzeiten
her rühmen, Gastfreunde zu sein!" So redeten jene, schwangen
sich von den Streitwagen herab, faßten sich liebreich die Hände
und gelobten einander gegenseitige Freundschaft. Zeus aber, der alles,
was geschah, zugunsten der Griechen lenkte, verblendete den Sinn des Glaukos,
daß er seine goldene Rüstung mit der ehernen des Diomedes wechselte;
es war, wie wenn ein Mann gegen neun Farren hundert hergäbe.