STRAßENBELEUCHTUNG IM ALTEN ROM
In der Mitte der Stadt Rom stand ein großer Palast, in dessen Nähe errichtete der Zauberer Virgilius einen gewaltigen Pfeiler aus Marmor und verband ihn durch eine Brücke mit dem Palast Auf dem Pfeiler brachte er zum Besten der Einwohner eine große gläserne Lampe an, die immerzu brannte, ohne auszugehen, und niemand konnte sie irgendwie auslöschen. So leuchtete die Lampe bei Nacht über die ganze Stadt Rom vom einen Ende bis zum ändern, und es gab keine noch so enge Straße, in der man nicht so klar hätte sehen können, als wenn zwei brennende Fackeln da gewesen wären. Aber jenseits der Brücke stellte der Zauberer auf die Mauer des Palastes einen großen metallenen Mann, der einen metallenen Bogen in der Hand hielt und immerzu nach der Lampe zielte, als wollte er sie auslöschen.
Dreihundert Jahre hatte die Lampe so zum Nutzen des Gemeinwesens ihr Licht erstrahlen lassen, da gingen einst mehrere Bürgerstöchter in den Palast, um zu spielen, und kamen zu dem metallenen Mann, der den Bogen in der Hand hielt und nach der Lampe zielte. Da sagte die eine zu dem Bogenschützen:
"Warum schießt du denn nicht? Was hindert dich daran?"
Dabei schlug sie mit dem Finger an den Bogen, und sogleich schnellte der Pfeil von der Sehne und schoß die Lampe in Stücke, die einst Virgilius gemacht hatte.
Als die Bürgerstochter sah, was sie angerichtet hatte, bekam sie einen gewaltigen Schreck, der metallene Bogenschütze aber lief eilends davon und wurde nie wieder gesehen.
Quelle: Oskar Ebermann, Sagen der Technik, o. J., S. 42