DER TEUFEL BAUT EINE BRÜCKE

Östlich von Jakuben befindet sich an der Elbe eine Hochfläche, von der eine Kuppe, die sogenannte Netterskoppe, bis dicht an den Strom vorspringt. Einst wettete ein altes einfältiges Mütterchen mit dem Teufel, daß er nicht imstande wäre, in einer Nacht bis zum Hahnenschrei von dieser Kuppe aus eine steinerne Brücke über die Elbe zu bauen. Das war nach ihrer Meinung schlechterdings auch für den Bösen unausführbar, Daher trug sie auch kein Bedenken, ihre Seele als Pfand einzusetzen und das furchtbare Abkommen mit ihrem Blute zu unterschreiben. In der nächsten Nacht begann der Teufel sein Werk. Um sich die mühevolle Arbeit etwas zu erleichtern, legte er die großen und gewichtigen Steinblöcke, die er sich vom Geltsch geholt hatte, auf einer steilen Talwand nieder, um sie späterhin zu seinem nächtlichen Arbeitsplatz abzuholen. Rasch genug waren die Brückenmauern vollendet, und es ging schon an die Wölbung des Bogens. Als nun das Mütterchen, das fest gehofft hatte, den Sieg davonzutragen, die Arbeit so schnell fortschreiten sah, da wurde ihr himmelangst und bange, und heller Schweiß rann ihr vom Gesicht. Wie, wenn er doch rechtzeitig fertig würde? Als sie so eine Weile über ihre mißliche und gefährliche Lage nachgedacht hatte, schoß ihr plötzlich ein rettender Gedanke durch den Kopf: bis zum ersten Hahnenschrei muß er ja fertig sein, so ist es ausgemacht! Sofort ging sie zum Hühnerstall, rüttelte an der Tür und machte so lange Lärm, bis der Hahn ein helltönendes Kikeriki in die Berge hinaus erklingen ließ.

Die Wirkung des Hahnenschreis war ungeheuer, denn plötzlich hörte man von der Anhöhe herab ein greuliches Fluchen und Schimpfen und dabei ein Gepolter und Krachen, als ob die Erde aus ihren Fugen gehen wollte. Dann war wieder alles still. Frühmorgens war das Mütterchen neugierig, den Gegenstand ihrer Wette zu sehen. Von einer Brücke war nun keine Spur mehr da, aber auf der Kuppe oben lagen eine Menge Steine, die vorher kein Mensch wahrgenommen hatte, die also wahrscheinlich von dem Wunderbau herrühren mochten. Der Teufel ließ die Steine auf der Talhöhe liegen, und diese wird heute der Zinkenstein genannt.


Quelle: Oskar Ebermann, Sagen der Technik, o. J., S. 84