ANWÜNSCHEN ODER ANTUN

Als ich ein Diandle mit zwölf oder dreizehn Jahren war, da ist es in unserem Stall mit einem Mal nicht mehr mit rechten Dingen zugegangen. Besonders wenn die "Zeiten" kamen (Ostern, Pfingsten, Weihnachten), wurde das Vieh unruhig, riss an den Ketten, schlug die Flanken, zitterte und wollte ausbrechen. Dabei starrte es mit ent-setzten Augen unter den Barren und verweigerte jedes Futter. Beinahe alle Monate mussten wir eine gefallene Kalbin aus dem Stall ziehen. Die Mutter ließ die Barren ausreiben und den Stall ausmisten, überhaupt befleißigte man sich der größten Reinlichkeit, sodass es da nicht fehlen konnte. Schließlich segnete der Pfarrer den Stall aus, aber es blieb immer gleich. Die Dirnen verweigerten die Stallarbeit, und nur eine alte Tante, die Mutter und ich mussten schließlich das Vieh versorgen, immer mit geweihten Palmkätzchen und geweihtem Salz versehen.

Da riet man meiner Mutter, in die Luggau zu gehen. Dort sei ein Pater, der helfen könne. Die Mutter entschloss sich dazu und nahm mich mit. Wir beteten, beichteten wie üblich und suchten dann den Pater auf. Als ihm die Mutter das Leid geklagt hatte, fing er zornig zu schimpfen an: "A grausiges Weibl bist, nit a Bäurin, lasst dei Vieh in Dreck und Speck verkumman, dann soll ich an Teufel austreiben. Geh ham und säuber deinen Stall, nachher hast den Dreckteufl selber ausgetrieben!" Die Mutter weinte auf dem Heimweg, denn der Pater hatte sie gar wohl beleidigt. Als wir auf die "Röthen" 1) kamen, da holte uns die Wassertheurin ein. Der Wassertheurer Bauer hauste ober dem Radlacher Graben unter den Almen. Wir gingen nun zusammen weiter, und die Wassertheurin fragte, warum meine Mutter so "tasik" 2) sei. Die Mutter klagte ihr das Leid, und dass der Pater so schiach gewesen. "Meine Liebe", sagte die Wassertheurin, "was soll dir da der Pater helfen? Der kann dir nicht helfen, weil er's nicht versteht. Da kann bloß das alte Kreuzerle am Rotenstein helfen. Der hat schon vielen geholfen." Schließlich versprach sie, das Kreuzerle zu uns zu schicken.

Etwa nach einer Woche kam abends das Kreuzerle. Er blieb am Stalltor stehen, hielt beide Hände zu Fäusten geballt vor die Augen, doch so, dass er durchsehen konnte, und schaute lang in den Stall hinein. Dann kam er zu uns in die Stube und sagte: "Bäurin, in enkern Stall schaut es schiach aus. Wann Dös es noch a Weil so lasst`s, hilft nix mehr. Aber noch kann i helfen. Heint nit, weil i schon getrunken han, aber i kimm a anderesmal." Nach einigen Tagen am frühen Morgen kam er wieder, ging in den Stall und las aus einem alten Büchlein lange Zeit. Dann trat er in die Stube herein und meinte: "Ich hab meine Sach jetzt gemacht. Das andere müsst ihr selber tun, und zwar darf den ganzen Tag nichts vom Haus fortgetragen werden. Einem Armen könnt ihr was zu essen geben, er muss es aber da verzehren und nicht forttragen. Von dem Haus, wo es euch 'angwunschen' worden ist, werden sie was holen kommen, und wenn Ihr etwas gebt, dann ist alles umsonst, was ich getan, und im Stall wird's noch schiacher sein." Die Mutter versprach genau zu folgen, bedankte sich und gab ihm vier Gulden. Sie sperrte nun die Speisekammer und alle Schränke ab und ging mit den Dirnen in den Wald "taxnen" 3). Ich musste daheim bleiben und hatte den strengen Auftrag, außer an Arme Brot und Schnaps sonst niemandem was zu geben. Den ganzen Tag kam niemand. Erst gegen Abend erschien unsere Nachbarin, die im bösen Ruf stand, "etwas zu können", und mit der wir keinen Verkehr hatten, und wollte einen Sack leihen. Ich sagte: "Die Mutter hat alles versperrt. Ich habe keinen." Da wollte sie einen Fetzen (Fürtuch), und als ich auch den nicht gab, fluchte sie beim Hoftor hinaus. Seitdem war in unserem Stall Ruhe und ist nie mehr etwas Besonderes vorgefallen.


1) Röthen: Übergang bei St. Jakob vom Lesachtal ins Drautal
2) tasik: schweigsam sein
3) taxnen: Fichtenäste schneiden

Quelle: Sagen und Geschichten aus dem Lesachtal, gesammelt und niedergeschrieben von den Schülern der 2. Klasse der Hauptschule Lesachtal Schuljahr 2000/2001, unter den Anleitungen von Hans Guggenberger und Edith Unterguggenberger