305. Auf der Alp Fursch
Als die Eisenbahn noch nicht erstellt war, wurde das zur Sömmerung
in die Glarner Alpen verlehnte Vieh von Flums über die Pässe
am Schönbühl und Wißmil getrieben. Der alte Jahn hatte
mit einem andern Bauer verabredet, sie wollten die Alpfahrt ins Glarnerland
gemeinsam machen. Sie gedachten bei den Hütten zu Fursch aufeinander
warten. Aber jener kam nicht. Als es dunkelte, trieb Jahn sein Vieh zusammen
in den Hof und machte in der Hütte ein Feuer. Wie er später
zur Türe hinausschaute, kam gegen die Hütte her eine Gestalt
in schwarzem Mantel und Wetterhut, trat in den Hof und fing an, das Vieh
auszutreiben gegen den Stollen hin. Jahn überwand die Furcht, lief
dem Vieh nach und kehrte es in den Hof zurück. Der Unheimliche war
verschwunden. Am Morgen aber hatte es so viel Schnee, daß Jahn froh
sein mußte, wieder heimzukommen.
J. B. Stoop
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen,
Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 305, S. 169f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, August 2005.