177. Das Bergmännli im Erzloch

In der beinahe 600 Meter hohen Felswand des Gonzenhauptes befindet sich ein wahrscheinlich schon zur Römerzeit benutztes Eisenbergwerk, von den Sarganserländern "Erzloch" genannt. Es wurde bis um das Jahr 1870 immer noch betrieben. In den Gruben waltete das Bergmännlein, ein wohltätiger Berggeist, welcher jede Gefahr rechtzeitig verkündete. Wenn die Knappen in unergibigem Gestein arbeiteten und die Öffnung neuer, besserer Erzgänge bevorstand, geschah es, während sie ahnungslos im Knappenhaus beim Essen saßen, daß vom Bergwerke her, über die Steine bis auf die hölzerne Stiege, laute Tritte erschallten, als ob dreißig und mehr Arbeiter mit schweren, eisenbeschlagenen Schuhen sich näherten. Die Knappen sprangen hinaus; aber nichts war zu sehen und zu hören.

Ungefähr im Jahr 1852 war der Knappe Martin Hobi von Hl. Kreuz mit seinem Bruder Christian in der "Lehmgrube" über einem schauerlich tiefen Schachte auf einem hölzernen Gerüste am Arbeiten. Da fing es an, kleine Steine nach ihnen zu werfen, anfangs ganz sachte, dann aber immer toller, so daß sie es endlich für ratsam hielten, ihren Posten zu verlassen. Kaum waren sie an einem sichern Orte angelangt, so stürzte das Gerüste zusammen und unter schrecklichem Gepolter in die grausenhafle Tiefe hinab.
J. Natsch.


Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 177, S. 84
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.