11. Der Bildstock bei Kappel
Der hl. Vater Gallus zog hochbetagt noch einmal hin, von wo er ausgegangen,
um eine Stätte christlichen Glanzes durch sein Wirken zu festigen.
In Arbor felix bestieg er zum letzten Mal die Kanzel, um von ihr herab
den Untergang alles Irdischen tiefergreifend den Versammelten zu schildern;
dann schied er selbst, der starke Kämpfer, der greise Held; er schied
für immer von Erdenlust und Erdenpein, "Der Meister ist nicht
mehr", so klagten jammernd die Brüder in St. Gallens Klosterzellen.
Seinen Leichnam abzuholen, eilten sie den vielgewundenen Pfad hinab, der
sie über Rotmonten und weiterhin führte in einer hohlen Gasse
bis an den Seestrand. Von Arbon her zog zu gleicher Stunde ein Leichenzug
ihnen entgegen bis Berg, nach "Howenbühl" [Hohenbühl]
und dann bei Gommiswil vorbei. Noch eine kurze Strecke, und der Trauerzug
traf zusammen mit St. Gallens Ordensbrüdern. An selber Stell ward
ein Kreuz emporgerichtet zum ewigen Gedenken, und dieses Kreuz steht noch,
wenn wohl schon oft erneut; es ist das Kreuz zu Höfen. In des Kreuzes
Nähe stand bald ein "fründlich Hus", und klüglich
sinnend, sorgend, gewannen "sin Inwohner" Land und Gut umher
zu freiem, eigenem Besitz. Sie nannten sich "von Hofen." Ihr
Geschlecht ist ausgestorben, doch ihre Güter tragen ihn noch heute
und wohl für immerdar. Doch nicht ein Kreuz allein sollte den Ort
bezeichnen; die Brüder beschlossen nach kurzer Frist, daß eine
Kapelle, schlicht, doch ihres Zweckes würdig, an passender Stelle
dem Gedenken ihres Meisters geweiht sein solle. Und sie wurde erbaut auf
ebenem Plan. Dort stand sie, bis sie altersschwach und morsch auch stürzen
mußte. Wo sie dereinst gestanden, da findet sich beim Weiler Kappel
heute noch ein Bildstock.
Durch L. Jäger
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen,
Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr.11, S. 9
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, März 2005.