356. Der ughürig Brunnä
Der St. Georgenberg bei Bärschis ist vom gegenüberstehenden Brügenkopf durch eine tiefe Einsattelung geschieden, daher seine schöne, freie, aussichtsreiche Lage. In halber Höhe zwischen dieser Einsattelung und dem Höhenstandpunkt der beiden Kapellen findet sich an ziemlich verborgener Stelle der Ostseite eine angeblich von den alten Römern tief in den Felsen eingetriebene ovalrunde Grotte. Jahraus, jahrein ist sie zur Hälfte mit Wasser angefüllt. Im Volksmund heißt sie der „ughürig Brunnä". Tief unten liegen unermeßliche Schätze an Gold und anderm kostbarem Gut verborgen, und der neidische Satan hütet sie in Gestalt einer ungeheuren Schlange, die wütend sich gebärdet, und Gift und Feuer speit gegen die, so sie zu heben und die büßende Seele zu erlösen versuchen. Oft ist dies schon gewagt worden, aber immer mißlungen und zwar nur, weil es an der Kenntnis der hiezu erforderlichen Gebete, besonders aber am VI. Buch Mofis fehlte, das für derartige Dinge die nötigen Sprüche an die Hand gibt. Wer dies alles besäße und die richtige Anwendung kennte! Die Schlange würde sich verkriechen; die arme Seele wäre erlöst und der Erlöser der reichste Mann der Welt.
O. Giger.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 356, S. 199
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, November 2005.