485. Der Riese Eishexe.
Im Tale der Thur wohnte ein Riese mit Namen Eishexe, d. h. schrecklich. Er brauchte keine Brücke über die Thur, wie sehr diese auch anschwellen mochte und wie. sehr selbst sein gewaltiges Roß sich gegen die Strömung sträubte. Kräftig nahm er es beim Zügel, schwamm durch die Thur, riß das Pferd nach und sprach:
"Beim Herrn Gallus, du sollst mir folgen, magst du wollen oder nicht!"
Ebenso mächtig als gegen die Gewässer der Thur erwies er sich gegen die Feinde des Reichs. Als er mit Karl dem Großen gegen die Böhmen, Avaren und Wilgen zu Felde zog, mähte er diese auf dem Schlachtfelde nieder wie Gras und spießte sie wie Vögel auf seine Lanze. Fragten ihn später die Thurgauer, wie es ihm bei seinen Feldzügen gefallen habe, so machte er gar nicht einmal viel Rühmens von seinen Taten und Feinden:
"Was soll ich," drückte er sich aus, "mit diesen Kröten? Ich spießte 7 - 9 auf meine Lanze und trug sie da- und dorthin. Weiß nicht, was sie dazu brummten. Ganz unnützerweise haben der Herr König und wir uns gegen solche Würmer abgemüht!"
C. G. I. Sailer, Chronik.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 485, S. 284
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