230. Der erzürnte Riese
Bekanntlich war das Kalfeisental früher von freien Walsern bewohnt.
Unter diesen hätte nach der Sage einst ein Riese von ungeheurer Kraft
und Größe gelebt. Da er sich mit seiner Schwester vergangen,
wurde er vor den Landvogt auf das Schloß Sargans zitiert. Aus Ärger
darüber habe er eine Tanne samt der Wurzel ausgerissen, die Aste
mit der Hand abgeschlagen und den Baum als Spazierstock benutzt. Beim
Eingang in das Schloß sei das eiserne Tor von ihm, als wäre
es von Papier, aus den Angeln gehoben und einer der Kloben, in denen dasselbe
hing, wie Wachs umgedreht worden. Und in der Tat schaut derselbe heute
noch nach unten. Auf dem Rückwege habe der Riese in einen Mühlstein
in Mels ein Hebeisen gestoßen, den Stein auf den Rücken genommen
und bis nach Gunis, fünf Minuten ob dem Dorfe Vättis, getragen.
Der Stein liegt noch dort, und man muß sich wirklich wundern, warum
er hierhergebracht worden.
"Oberländer Anzeiger."
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 230, S. 114
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Juni 2005.