238. Die Garmina-Hexen.
Von Vättis nach Untervatz führt ein Fußweg über die Alpen Owaggis und Salatz. An diesem Wege, auf dem Oute Garmina, lebten vorzeiten drei Hexen. Ein junger Mann von Vättis jagte oft im Calandagebiete und kam auf seinen Wanderungen mehrmals zu diesen Schwestern. Er trug aber "saubere Schuhe"; sie konnten ihm nichts anhaben. Darum verwandelten sie sich in Gemsen, um ihn über eine Felswand hinunterzustürzen. Als er wieder einmal durch die Alp Gwaggis ging, gewahrte er auf einem Rasenbande drei Gemsen, die ganz gemütlich weideten. Er legte auf sie an; aber die Kugel verfehlte immer ihr Ziel. Dann sprangen die Gemsen auf ihn los; er aber legte sich so auf die Erde, daß ihm nichts geschehen konnte.
Ein altes Männlein von Vatz teilte ihm mit, daß die vermeintlichen Gemsen Hexen seien. Es belehrte ihn, wie man ihnen beikommen könne. Er mischte Dreifaltigkeitssalz zum Pulver und lud eine geweihte, silberne Kugel. So fehlte er beim nächsten Schuß das Ziel nicht. Tödlich getroffen kollerte ein Tier die Felswand hinunter.
Er begab sich sogleich nach Garmina, wo er eine der Hexen mit durchschossenem
Kopfe liegen sah.
L. Jäger.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 238, S. 119
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Juli 2005.