176. Das Gräggi

Wodans Stelle vertritt im Sarganserlande das "Bachgeschrei", vor allem aber das "Gräggi", d. h. der Schreier, welcher nachts bald als Baumstamm, als Hund, als Schwein, als Kalb im Wege liegt oder von einem Baume herab einen anschreit, bald als Laubsack sich heranwälzt, mit den verschiedensten Stimmen schreit und mit einem Lärm, wie an andern Orten die wilde Jagd, über Weinberge und Wälder hinbraust, daß man glauben möchte, kein Rebenstickel und kein Baum bleibe unzerbrochen, obschon am Morgen keine Spur von allem wahrzunehmen ist.

Von einer meist aus Fronfastenkindern bestehenden Familie wußte man, daß sie in freundschaftlichem Verkehre mit dem "Gräggi" stand, welches den Söhnen nachts, während sie schliefen, die Rosse hütete, und wenn diese einen Kreis abgeweidet, den Pfahl ("Stumpen") weiter schlug. Es ließ alle möglichen Stimmen hören.
Dr. Henne-Am Rhyn, Deutsche Volkssage.


Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 176, S. 83
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.