500. Die guten Zwerge.
Zwischen Schuoppis und Vögeliberg stand vor alter Zeit ein Schloß; jetzt findet man nur noch spärliche Überreste, Wälle, Mauern, Höhlungen. Man sagt, es habe durch unterirdische Gänge mit Ramswag in Verbindung gestanden und sei von reichen Zwergmännchen bewohnt gewesen. Diese haben gegen hundert Jahre hindurch den Bauersleuten in Schuoppis, wenn sie in der Nähe ackerten, am Vor- und Nachmittage Kuchen u. a, gebracht und zwar auf silbernen Tellern; auch das Besteck war schwer Silber. Die Zwerge sprachen nie, sondern legten die Speisen, wenn die Bauern gegen Schuoppis zufuhren, einfach auf die „Furrenen" und holten später das Geschirr wieder ab. Sie seien von der Größe eines fünfjährigen Kindes gewesen und sehr zahlreich. Zu leide taten sie niemand etwas.
Einmal waren die Bauern so unartig, die auf den Acker gebrachten Teller, Löffel und Gabeln zu behalten, worauf die Kleinen nie mehr was brachten und sich auf Schuoppis auch nie mehr sehen ließen. Im Buchholz sah man sie noch einige Zeit, aber dann auch nicht mehr.
Weiter wird erzählt, die Zwerge haben nach ihrem Verschwinden den Schatz dadurch kundgegeben, daß sie ihn im Buchholze im Freien sonneten, aber nur in der Gestalt glänzender, buntfarbiger Glas-und Porzellanscherben. Gewann man diese, so waren sie Gold. Einst gingen zwei Männer in die dortige Ruine und erblickten Haufen Geldes. Eine unsichtbare Stimme erlaubte ihnen, so viel mitzunehmen, als jeder forttragen könne; aber sie dürfen weder ein Wort reden, noch einander dabei helfen. Die Männer füllten zwei Säcke, und als der eine den seinigen nicht zu heben vermochte, winkte er dem andern, worauf sogleich alles zu Scherben wurde, die sie nun unbedacht wegwarfen. Das Schatzsonnen will man noch in der neuesten Zeit bemerkt haben, jedoch nur, wenn Personen vorbeigingen, denen der Sachverhalt unbekannt war, die dann von den Massen glänzender Scherben erzählten. Kehrten solche zurück, so war nie mehr was zu sehen.
Dr. Henne-Am Rhyn, Deutsche Volkssage.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 500, S. 295
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