402. Der Hexenturm in Uznach.

Auf der sogenannten Burg, oben am Städtchen Uznach, stand ehemals und zwar bis zum Jahre 1867 ein sehr umfangreicher, ziemlich hoher, viereckiger Turm, der sogenannte Herenturm. Leider wurde er zur Vergrößerung des an jener Stelle sich befindenden Viehmarttplatzes im genannten Jahre weggerissen. Dieser Turm soll sehr alt gewesen sein und unzweifelhaft aus den Römerzeiten gestammt haben. Er hatte kolossale, 3,3 Meter dicke Mauern. Ältere Männer können sich noch erinnern, daß eine hölzerne Stiege von außen bis zu einer Öffnung auf Zweidrittelhöhe des Turmes geführt habe und daß ein hohes, spitziges Dach denselben bedeckte.

In diesem Turme sollen die als Hexen erklärten Weibspersonen der Landschaft Uznach eingesperrt worden sein.

Für eine solche wurde auch die sogenannte Rößlerin angesehen, welche in einem kleinen Hause auf der Burg gewohnt habe.

Sie habe die bösen Unwetter über die Gegend geschickt, namentlich über die sogenannten Burgeräcker in der "Weinrebe". Wenn sie in ihrem zinnernen Teller Kieselsteine stark durcheinandergerührt habe, sei ein starkes Hagelwetter eingetroffen und zwar ein um so größeres, je mehr Steine sie im Teller gerührt habe.                 
Ferd. Morger.

In Uznach wurden noch im Jahre l695 drei Hexen auf einmal verbrannt.

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Die traurigste Erscheinung auf dem ganzen weiten Gebiete des Volksaberglaubens sind die Hexen.

Der Hexenglauben führt tief ins Heidentum zurück. Priesterinnen der heidnischen Götter waren die Frauen. Das Christentum aber hat sie dieser Eigenschaft, entkleidet und zwar keineswegs aus Geringschätzung; denn erst das Christentum hat das Weib zur Gleichberechtigung erhoben. Doch scheint es, daß einzelne Frauen, die sich auf ihr priesterliches Amt viel zu gut taten, diese scheinbare Zurücksetzung nicht verschmerzen konnten, daß sie sich gegen den neuen Glauben sträubten, daß sie noch Jahrhunderte lang ihren Göttern zu Ehren geheime Zusammenkünfte hielten und ihnen Opfer darbrachten,  was sie  dann in den  Geruch  der Zauberei  gebracht hat, der dem weiblichen Geschlechts heute noch weit mehr anhaftet als dem männlichen.

Durch viele Jahrhunderte ließ man sie so gewähren, da man ihrer Zauberkraft keine übergroße Wirkung zutraute. Erst im Mittelalter brach dann jene unbegreifliche Seuche der Hexenverfolgung über ganz Europa herein, und die armen Opfer eines krankhaften Wahnes wurden zu vielen Tausenden zum Tode verurteilt und meist lebendigen Leibes verbrannt. Nicht nur Frauen, sondern auch Männer und Kinder wurden der Trudnerei oder Hexerei bezichtigt, in die sie sich im Bunde mit der Hölle begeben hätten. Wurden sie eingezogen, so beteuerten sie zuerst ihre Unschuld. Das damalige Gerichtsverfahren war aber ein so unsäglich hartes, daß auch der Unschuldigste unmöglich entrinnen konnte. Brachte das "gütliche Verhör" nichts an den Tag, so schritt man zur Folter, an der die armen Opfer das Widersinnigste bekannten, was man ihnen vorsprach; sie zogen einen schnellen Tod den immer wiederkehrenden Martern vor.

So sind wir zum Hexenglauben und zu den Hexenprozessen gekommen. Der Glaube an Hexerei besteht vielfach heute noch und zwar an Orten, wo man ihn kaum suchen würde; viele der Hexengeschichten könnten auf noch lebende Personen zurückgeführt werden. Zum Glück nimmt die öffentliche Meinung von solchen Schauermären kaum mehr Notiz, und keinem Richter fällt es mehr ein,,die armen Angeschuldigten über dergleichen Anklagen zur Rechenschaft zu ziehen. So gehört auch der Hexenglauben in Wirklichkeit bereits der Geschichte an.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 402, S. 231
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