55. Aus der Hungerzeit
Nach dem Volksmund gebrach es eigentlich in jenem Unglücksjahr nicht
an Nahrung; aber viele Leute hatten das Hungerfieber und aßen so
unglaublich viel, daß andern nichts mehr blieb. So aßen drei
Personen auf einen Sitz zwei Viertel Erdäpfel (45 Pfund) und dazu
eine große Schüssel voll Milch; eine andere aß eine Pfanne
voll "Türkenmus" [Polenta], an der sich ihrer zehn hätten
satt essen können; eine dritte verschlang einen halben "Jollen"
Butter und ein Brot. Wer so seinen "Glust" stillen konnte, war
gerettet; die andern kamen um.
G. W. Füllemann
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 55, S. 26
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, April 2005.