488. Die Kienberger-Kette, 1688.
Hauptmann Kienberg zog nach Venedig und leistete der Lagunenstadt treffliche Dienste im Kriege gegen die Türken. Als er dann nach Jahren seinen Abschied nahm, um in seine Heimat zurückzukehren beschenkte ihn der Rat mit einer goldenen Kette.
Die Wiler waren nicht wenig stolz auf ihren Mitbürger, der mit einer solchen Auszeichnung in ihrer Mitte erschien, und veranstalteten ihm zu Ehren ein Festmahl. Da wurde die goldene Kette herumgereicht.
Plötzlich erhob sich ein Streit unter den beiden Brüdern des Gefeierten. Der ältere behauptete, sie werde einst ihm als Erbteil zufallen; der jüngere aber meinte, nach einem alten Recht müßte er Schild und Speer bekommen, also auch die militärischen Ehrenzeichen.
Hauptmann Kienberg ließ sich die Kette zurückgeben und sprach: "Keiner von beiden soll sie haben; ich selbst verzichte in diesem Augenblick auf meinen Besitz; die Kette soll Gott geweiht fein, in dessen Diensten ich sie mit meinem guten Schwerte erworben." Also trug er sie zur Kirche, und dort schmückt sie bis auf den heutigen Tag die goldene Monstranz.
Nach C. G. I. Sailer.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 488, S. 287
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