140. Das Kuhrücken auf der Alp Altsäß
"Du, Hans", sagte eines Abends der Senn der Alp Altsäß zu seinem Handbuben," der Trappli het si kündt; dia Chüa henn gruggt, un dia Nacht schneit's; morn fahran mir vu Alp; richt dia Schleipf her." Und wirklich, es geschah, wie es der Senn vorausgesagt hatte. Während der Nacht war so viel Schnee gefallen, daß man von der Alp fahren mußte und auf der "Schleipf" die Molken ins Tal gebracht weiden konnten.
Das Kuhrücken kennt man bei uns auch auf andern Alpen. Da stürmt die ganze Herde in großer Angst der Hütte zu. Dann gibt's Schneewetter. Auf der Alp Altsäß jagt der "Trappli" den Tieren diesen großen Schrecken ein. Dieser Geist zeigt sich aber den Menschen nie.
Ein junger Mann von Sevelen, der das Kuhrücken schon mehrmals beobachten
konnte, aber von Geistern nichts mehr wissen will, behauptet, daß
wie die Stubenfliegen schon einige Stunden vor Eintritt von Regenwetter
in Ställen und Häusern Unterkunft suchen, so fliehe das Vieh
auf den Alpen auch, bevor Schneefall und Unwetter sich einstelle, an geschütztere
Orte. Die Tiere gewahren [bemerken] solches vor den Menschen.
Heinrich Hilty.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 140, S. 67
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.