135. Aus der Pestzeit
Einmal wütete der schwarze Tod so stark, daß, wenn man bei einem verpesteten Hause einen Haselstecken zu einem Fenster hineinstreckte, derselbe sofort schwarz wurde.
Zur Pestzeit, da der Todesengel bei uns sehr viele Opfer forderte, kam in einer Nacht ein Gut am Sevelerberg durch Vererbung siebenmal in andern Besitz. Da der letzte Eigentümer am folgenden Tage auch das Zeitliche segnete und keine Erben mehr vorhanden waren, wurde das Gut herrenlos. Es wird jetzt noch verlorener Berg genannt. Nach dem Seveler Urbar trug es allerdings schon 1489 diesen Namen.
Das ganze ob Sevelen liegende Dörfchen St. Ulrich mit dem umliegenden
Boden verblieb einem einzigen Manne. Dieser konnte sich seines Besitztums
nicht lange erfreuen; denn nach kurzer Zeit hatte er all sein Gut verpraßt.
Heinrich Hilty.
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Die Hüttentüre in der Alp Farnboden hatte eine schlechte "Bschlußig". Zigeuner und anderes Gesindel streiften in den Bergen herum. Darum wurde jedes Jahr vor der Alpabfahrt das große Kupferkessi im Boden vergraben, und nur der Senn, der Zusenn und der Handbub wußten, den Ort, wo es bei der Alpfahrt wieder zu finden war.
Dieses geschah auch in der Pestzeit, wahrscheinlich 1628, Hernach rückte
die Seuche mit allen ihren fürchterlichen Folgen ein. Als dann die
Alpfahrt wieder stattfand, konnte keiner der drei Männer mehr sagen,
wo das Kessi vergraben worden war, weil sie der Seuche zum Opfer gefallen
waren. Es ist nie mehr gefunden worden.
Heinrich Hilty.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 135, S. 63f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.