454. Das Stöckli-Meitli.
Zwischen Lütisburg und Mosnang liegt noch jetzt der Weiler Lang-Aufeld. Daselbst wohnte in grauer Vorzeit ein hoffärtiges und genußsüchtiges Mädchen. Wenn irgendwo Tanz abgehalten wurde, traf man dort gewiß das ausgelassene Weltkind. Es trug stets auffallende Kleider; das Auffallendste an ihm aber waren die ungewöhnlich hohen und dünnen Absätze an den Schuhen, die "Stöckli". Man nannte es daher das Stöckli-Meitli.
Aber die Ausgelassenheit nahm ein Ende mit Schrecken. Während eines Tanzes holte es der Tod weg.
Es fand aber im Grabe keinen Frieden. Oft sah man es um Mitternacht bei Lang-Aufeld und Bitzi umherwandeln und wohl auch tolle Tanze ausführen. Es mußte bis zu seiner Erlösung ein Paar eiserne Stöckli-Schuhe durchlaufen und durchtanzen. Das scheint geglückt zu sein; denn jetzt sieht man die Tänzerin nicht mehr.
C. Huber.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 454, S. 268
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