271. Die weisse Frau
(Aus der Schweizerchronik von Diebold Schilling in Luzern, 150O.)
Es fuhr ein Mann mit zwei Knechten und viel Saumrossen von Saragans ab
einer Alp, wollt gen Wallenstadt fahren, und als er aber benachtete zwischen
Saragans und Wallenstadt bei einem Kappelli in einer Gassen, daselbst
stund auch ein Schürli in einer Matte. In dieselbe Matte taten sie
die Roß und laiten sich in die Schür schlafen. Und in der Nacht
träumt dem Meister, ein Dieb wollt ihm die Roß nehmen, und
also kam schnell ein Gespenst, erwischt und trug ihn in das Land Appenzell
auf einen fast hochen Berg; da sah er eine Frauen in Wiss bekleidet; die
ging her vor ihm dannen und winkt ihm; derselben Frauen ging er nach,
und als er erwachet, war er zu Stammen bei St, Annen. - Morndes hatten
aber die Knechte den Meister verloren und besorgten, man würde meinen,
sie hätten ihn gemört. Also fuhren sie heim und ward ein groß
Geschrei. Jedoch in kurzen Tagen, da kam der Meister und seit, wie es
ihm ergangen war, und wohl für ein groß Zeichen soll augeschrieben
werden.
(Bei Natsch)
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 271, S. 146
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Juli 2005.