213. Wie man das Ziegern gelernt hat
Ein Jüngling, der auf dem Vättnerberg das Vieh fütterte,
war während einer ganzen Woche nie in das Tal heruntergekommen, um
Nahrungsmittel zu holen. Es war auch nicht nötig; eine Zwergentochter
hatte sich bei ihm häuslich niedergelassen, und ihr Vater versah
beide reichlich mit Wildbret; Milch hatten sie zur Genüge. Damals
machte man aus der abgerahmten Milch den Magerkäse; das Ziegern aber
war noch unbekannt. Von der Zwergin hat es der Bauernsohn gelernt. Sie
erklärte weiter, das eigentliche Gold sei in dem Schotten enthalten.
Sie wollte auch zeigen, wie man dieses gewinnt und hantierte im Käskessi
herum, als die Hüttentüre aufging und der Vater des Jünglings
erschien und sie im seinem Zorn zur Türe hinauswarf. Der Sohn erzählte
nun alles und setzte den Vater in nicht geringes Staunen. Aber die Reue
kam zu spät. Die Zwergin war nicht mehr zu finden, so wenig als das
Gold in dem Schotten.
L. Jäger.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 213, S. 104
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Juni 2005.