190. Das Zwergenweiblein zu Fontanix
Zu Fontanix, am Wangser Berg, lebten ehemals viele Zwerge. Einst hörte
man dort am Wege ein leises Seufzen und Stöhnen. Ein junges Zwergenweibchen
war von der schweren Stunde überrascht worden und nahm gerne die
Hilfe einer herbeieilenden Frau an. Den Dienst zu lohnen, gab es dieser
eine Handvoll Kohlen mit nach Hause. Die Frau scheint einen andern Dank
erwartet zu haben; denn sie warf die Kohlen unterwegs von sich. Ein einziges
Stücklein war in der Schürze zurückgeblieben, und dieses
hatte sich unterdessen in das lauterste Gold verwandelt. Nun sah die Beschenkte
ein, daß sie töricht gehandelt hatte; sie ging schnell zurück
und suchte auf dem Wege und im Gesträuch, fand jedoch nichts mehr.
Wohl aber sah sie, wie von der Mugg herunter viele Zwerglein kamen mit
brennenden Fackeln. Diese werden das Weiblein, das länger als gewöhnlich
ausgeblieben, endlich gesucht und dann samt dem munteren Söhnchen
Heimgebracht haben.
Nach Dr. A. Henne.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 190, S. 89
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Juni 2005.