Das verlorene Dirnlein
Auf dem Turmberg bei Malsching war ein festes Schloß, das ist aber
verfallen, und an seiner Stelle steht ein Kirchlein, drin ist unsere Liebe
Frau zur Herberg. Einmal zu Ostern, es wurden gerade in der Kirche die
Leiden des Heilands gelesen, ging eine Mutter mit ihrem Dirnlein auf den
Turmberg, da sah sie den Fels offen. Schnell stieg sie in den Keller hinein,
setzte dort das Kind auf die Erde und raffte aus den Truhen viel goldenen
Schmuck in die Schürze und schaffte ihn hinaus. Wie sie aber draußen
war, sprang der Fels zu, und das Kind war im Berg drin versperrt. Da ward
die Mutter traurig, der goldene Schatz freute sie nimmer, oft schlich
sie hinauf auf den Turmberg und lauschte an dem Stein, ob ihr Dirnlein
nicht klage, und das Herz zersprang ihr bald. Ein Jahr darauf am selben
Ostertag sahen die Leute wieder den Berg aufgetan, und tief drin rief
und weinte das Kind. Aber niemand traute sich in die Kluft hinein, und
so verschloß sich der Felsen wieder, und das Dirnlein blieb drin
verloren.
Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)