Geistermette
Der heilige Nikolai hat seine Kirche gar öd und abseits von der Goldstadt Bergreichenstein und mitten im Freithof drin, und wer im Mondschein an dem weißen uralten Gemäuer vorbei muß, dem wird ganz scheusam und ihm gruselt die Haut.
Einmal an einem Nachmittag wollte ein junger Gesell in selber Kirche
beten. Mutterseelenallein saß er im Stuhl, und weil es so dämmerig
und so still war, schlief er ein. Wie er so recht gut schläft, hört
er auf einmal ein Glöckel läuten. Er schreckt auf. Die Nacht
lehnt stockfinster in den langen Fenstern, aber am Altar brennen licht
die Kerzen, und ein Geistlicher kommt daher im goldnen Mantel, und er
stellt den Kelch auf den Altar hin, dreht sich um und fragt traurig: "Ist
denn niemand da, der mir bei dieser heiligen Messe dienen will?"
Er fragte ein zweites Mal und er fragt ein drittes Mal, immer verzagter,
immer demütiger. Das erbarmte den jungen Burschen, er kniete zum
Altar hin und diente dem Geistlichen, so gut er es verstand, und es fiel
ihm weiter nichts auf. Erst wie er bei der Waschung dem Pfarrer das Wasser
über die Hände schüttete, merkte er, daß es beinerne
Totenfinger waren. Jetzt kam ihm ein Schauer, er schaute den Meßleser
an, der war ein grausiges Geripp. Der liebe Gesell hielt tapfer aus und
ließ sich nichts merken. Wie die Messe gar war, drehte sich der
tote Pfarrer zu ihm und sagte: "Hundert Jahr schon hab ich auf diese
Stunde warten müssen, weil ich bei Lebzeiten für eine Messe
Geld genommen und sie nit gelesen hab. Vergelts Gott, du hast mich erlöst!"
Und er ging langsam davon in die finstre Sakristei hinein, und die gelben
Kerzen brannten langsam nieder.
Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)