Hahnenschrei
Vor grauer Zeit hetzte ein Ritter in den alten weitschichtigen Wäldern
an der Wulda Hirsche und Bären. Dabei fiel ihm einmal die Nacht in
den Weg, so daß er nimmer heimfand. Hundsmüd legte er sich
in ein wildes Moos und gab sein liebes Leben und seine Seele unserem Herrgott
in die Hand und schlief ein. Im tiefen Schlaf wurde er durch einen Hahnenschrei
geweckt. Er kniete sich auf, da hatte er den Bart voller Tau, und das
eiserne Gewand war feucht, und wie jetzt die Luft graute, sah der Ritter
im Zwielicht auf einer Leite einen Hof liegen, dem Steinbauer gehörig.
Jetzt fand sich der verirrte Herr wieder zurecht. Er baute an selber Stelle
eine Kapelle, und später wurde eine Kirche daraus, und zum Andenken
an den Hahnenschrei in der Wildnis stellte man einen großen Hahn
auf den Turm hinauf. Dort wachte er noch zur Preußenzeit. Wie aber
die neuen Leute den Turm umbauten, vergaßen sie den guten blechernen
Hahn. Um die Kirche herum wurde das Dorf Ottau.
Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)