Heilige Zeit

Gleich nach der Schwedenzeit trug es sich zu, daß der Kuhtriftmüller mit seinem Gesellen am Palmsonntag wilderte. Sie fanden eine Hirschenspur, die führte in den Kohlenwald hinein. Da sagte der Müller: "Wart nur, Hirschlein, du mußt gleich zurück kommen!" Er kniete sich hin, schnitt aus der hintern rechten Fährte das Herzlein heraus und legte es in verkehrter Richtung wieder hin. Hernach versteckten sich die zwei hinter den Stauden. Nicht zwei Vaterunser lang stand es an, da kam der Hirsch zurück. Er trug ein Kreuz im Geweih, das glänzte, als ob die Sonne recht scharf darauf scheine. Die Wilderer trauten sich nicht, die Büchsen auf den heiligen Hirsch anzulegen. Wie der Hirsch vorbei war, rannten sie geschwind in die Kirche und gingen so bald nimmer auf die Hirschjagd.

Der Lenz aus Kohlheim ging in der heiligen Nacht auf den Anstand. Auf einmal war er von einer ganzen Herde Hasen umgeben, und sie schauten seltsam aus: einer hatte krumme Hörner, ein zweiter einen langen Schweif, und wieder andere hatten große glühende Augen. Das kam dem lieben Lenz wunderlich vor und er schoß darein, und richtig! blieb ein Hase liegen, und den steckte er in die Jagdtasche. Aber wie er jetzt heim wollte, hüpften die Hasen aus den Stauden und Graben heraus und rannten ihm nach und einer davon schrie: "Gabriel, wo bist du?" Da meldete sich der Hase aus der Tasche: "Da herin! Da herin!" Jetzt schrien wieder die anderen: "Langöhrl, komm mit! Langöhrl, komm mit!" Dem Lenz ward grausig bei der Sache, er schleuderte die Tasche samt Hasen weg und auch die Flinte und sprang dem Dorf zu. Am andern Tag fanden die Kirchgänger das Gewehr ganz zerbissen und zerfressen auf.

Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)