Lebendig ins Grab
Wie der grausame Schwed im Böhmerwald hauste, da mußten die Leute oft Hals über Kopf vor den Blut- und Feuerhunden davon tief in die abgelegenen Wälder hinein. Einmal flüchtete eine Schar auf der Eisenstraß das hohe Gebirg hinauf. Ein uraltes Weib lief auch mit, sie fürchtete sich um ihren bresthaften Leib. Aber ihre Füße konnten den gähen Hang nimmer weiter. Da begruben die andern die Alte bei lebendigem Atem, und auf ihr Grab setzten sie ein Kreuz mit der Schrift:
Duck dich, Alte,
duck dich, Alte,
hast genug gelebt!
Auch beim Hohen Stein gen die Ortschaft Freihöls ist ein Ähnliches
geschehen. Dort schaufelte ein Zigeuner eine Grube und drückte seine
Mutter hinein und schüttete Erde über sie. Er sagte: "Ergib
dich, Mütterlein, du hast schon lang genug gelebt!" Sie war
hundertfünf Jahre geworden. Alle Sommer kam eine junge Zigeunerin
ins Land und putzte ihr das Grab mit Graslilien.
Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)