Lunge und Leber!
Ein Besenbinder lebte mit seinem Weib schlecht und recht auf der Einschicht. Wie sie genug Besen gebunden hatten, begehrte sie, er solle in der Stadt die Besen verkaufen und ihr dafür ein Beuschel zum Essen mitbringen.
Der Besenbinder ging auf den Markt und schlug seine Ware bald los, das
Geld aber versoff er. Wie er spätnächtig durch den Wald taumelte,
da hatte sich dort einer erhängt. Jetzt dachte der Besenbinder an
sein liebes Weib, schnell schnitt er dem Erhängten Lunge und Leber
heraus und trug sie heim. Sein Weib war voller Freude, sie kochte gleich
das Beuschel und aß es auf, und es schmeckte ihr nicht schlecht.
Der Besenbinder aber hatte kein Verlangen. Hernach legten sich die zwei
schlafen. Jetzt kam aber etwas daher, war bei der Haustür und sagte:
"Gebt mir mein Lung und mein Leber!" Jetzt tappte es schon an
die Stubentür und sagte wieder: "Gebt mir mein Lung und mein
Leber!" Da wisperte das Weib: "Lus! Ich hör eppes."
Der Besenbinder brummte: "Ach, das ist nur der Wind." Doch jetzt
war es schon bei der Bettstatt und sagte wild: "Gebt mir mein Lung
und mein Leber!" Und zwei eiskalte Hände griffen hin nach den
Besenbinderleuten und nahmen sie mit.
Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)