Frevle Spinnerinnen
Der Totengräber von Höritz grub einmal im alten Freithof ein mächtiges Geripp aus, er lehnte es an die Mauer, und weil es schon Feierabend läutete, ließ er es dort lehnen. Wie am selben Abend die jungen Leute beim Tuifelwirt in der Spinnstube saßen, sahen sie durchs Fenster das riesige Geripp an der Mauer droben, und spaßhalber meinte einer, ob nicht etwer das Herz hätte und trüge den beinernen Bruder herunter in die Stube, er könnte ihnen allerlei erzählen. Da war auch des Wirtes Magd dabei, ein festes Mensch, die kannte keine Scheu und sagte: "Ich hol mir ihn." Schnell sprang sie die Staffeln zum Freithof hinauf und nahm das Geripp auf den Buckel. Wie sie aber die Stiege wieder hinunterging, spürte sie, daß der beinerne Mann langsam die Finger um ihren Hals legte, und er würgte und würgte allweil mehr, daß sie kaum mehr Atem fangen konnte, sie wollte das Gespenst abschütteln, aber es war wie verwachsen mit ihr. Jetzt jagte sie dahin und erreichte die Tür und riß sie auf, da verließ sie der Sinn, und sie stürzte tot über die Schwelle.
Ein anderes Mal holte auch so eine prahlerische Rockenstubendirn einen
Schädel aus dem Beinhaus. Wie sie ihn wieder zurücktrug und
ihn auf seinen Ort tat, knirschte der Totenkopf sie auf einmal an: "Wenn
du nit von guten Leuten wärst, ich hätt dich zerrissen!"
Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)