Tod bricht die Treue
Hinterm Todlauer Wald lag ein Bauer auf dem Totenbrett. Sein Weib war
ganz allein mit der Leiche im Haus und weit und breit wohnte niemand.
Aber sie fürchtete sich nicht und dachte: "Hat er mir lebendig
nix tan, so tut er mir als ein Toter auch nix." Sie zündete
ihm die Kerze an und blieb bei ihm auf und betete. Um Mitternacht aber,
da fallt dem Kalten auf einmal der eine Arm vom Brett. Das Weib tut ihm
den Arm wieder hinauf. Nach einer Weil fallt ihm der Fuß hinunter.
Sie tut ihm auch den kalten Fuß wieder hinauf. Schließlich
aber rührt sich der ganze Leichnam und steht langsam, langsam auf.
Jetzt wurde ihr angst und bang, und weil sie gehört hatte, wenn ein
Toter aufstehe, müsse man ärschlings davon, dann könne
er einem nichts anhaben, so stieg sie schnell ärschlings die Bodenstiege
hinauf und versteckte sich droben. Er aber schrie ihr nach, daß
das Haus hallte: "Hinauf spür ich dich, herunter schmeck ich
dich. Die Seele aus, die Treue aus!" Da krähte der Hahn und
der Tote fiel um und blieb liegen. Das Weib traute sich vom Boden erst
herunter, bis die Nachbarn zum Begräbnis kamen.
Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)