Todsünden
Bei Rehberg neben der Hauswaldkapelle hockte einmal auf einem Baumstumpf
ein Bettelweib und hielt Erdbeeren im Schoß. Da kam eine reiche
Frau mit ihren Kindern den Steig daher. Die Arme bat sie um ein Bröcklein
Brot, es hungere sie sehr. Aber die Reiche tat, als höre sie nichts,
und als die Kinder dem Bettelweib ihr Brot schenkten, schalt sie deswegen
die Kinder und riß sie im Zorn hinein in die Kapelle. Wie die Frau
in ihren feinen Kleidern jetzt vor dem Muttergottesbild stand, da stieg
ihr die Hochfahrt und sie prahlte, sie sei viel schöner als die Liebe
Frau am Altar. Kaum hatte sie so geredet, so wuchs ihr ein Stierkopf auf
den Achseln, und sie brüllte und schaute greulich darein. Ihre Kinder
rannten zu Tode erschrocken zur Kapelle hinaus. Draußen sahen sie
noch, wie das arme Weib die Beeren aus dem Schoß schüttete
und sich in einen Glanz auflöste. Es war die Muttergottes selber
gewesen.
Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)