Das Weib aus der Fremde
In Adlerhütten lebte ein Holzhacker, der hätte gern geheiratet. Weil ihn aber daheim auf seiner verfallenen Hütte und seinem kümmerlichen Acker keine Dirn mehr mochte, so holte er sich aus der Fremde ein Weib, das war bildsauber, und von der Stunde an ging ihm alles Glück zu. Er hatte nur ein zaundürres Kühlein auf der Streu und das molk gar spärlich, aber doch schwamm der Sterz, den das Weib ihm in den Wald nachtrug, im Schmalz, und einen Topf voll süßer Milch brachte sie ihm auch allweil mit. Die andern Weiber merkten gleich, daß das nicht mit rechten Dingen zugehe, und sie lauschten die Fremde einmal ab, wie sie mit der Graskitze um grünes Futter ging. Da hängte sie das Leintuch über einen Gräßling *) und zog an den vier Tragbändern wie an den Strichen eines Euters und molk die schönste fetteste Milch in ihren Topf, daß es schäumte und schellte. Die Holzhackerin konnte noch mancherlei: sie wußte Mittel gegen die hitzige Krankheit, sie bannte Blitz und Hagel, sie fand die Sonnwendwurzen, die die Milch in dicken Rahm verwandelt, und zu gewissen Zeiten riß sie Ähren von fremden Feldern ab und drosch sie aus, da hatte sie dann den Nutzen von den Feldern. Am Kartag heimste sie aus den Nachbarhäusern das Auskehricht ein, verbrannte es und schanzte so fürs ganze Jahr alles Ungeziefer den Nachbarn zu.
Aber mitten im größten Glück erschlug ein fallender Baum
den Holzhacker. Da ließ ihn das Weib schön und christlich begraben
und reiste hernach mit ihren zwei Kindern aus dem Wald, niemandem verriet
sie wohin. Nur einmal kam sie noch zurück und hängte eine hübsch
gemalte Martertafel an die große Buche, wo ihr Mann verunglückt
war. Die Stelle heißt heute "beim Bildbaum".
*) verästelte Fichtenstaude
Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)