Zigeunerkunst
Im Todherbst kamen einmal Zigeuner ins Dorf Tisch. Der Wind war rauh,
und die Bergspitzen lagen schon im Schnee, da gingen die Zigeuner von
Hof zu Hof und bettelten um eine Herberge, es wäre halt gar zu kalt
im Wald draußen. Doch die Leute ließen sie nicht in die Stuben,
sie fürchteten die kohlschwarzen Augen und die krummen Finger und
die verrunzelten Weiber. Schließlich erbarmte sich ein Bauer und
ließ sie über Nacht in seine Scheuer. Die Zigeuner hatten einen
Igel gefangen, den wollten sie sich braten. Drum zündeten sie ein
Feuer an. Das nahm ihnen der Bauer krumm. "Hoho, ihr legt mir den
Stadel in Asche!" schrie er. Da deutete ein alter Zigeuner auf eine
Schaube Stroh und sagte: "Such dir einen Halm aus, Bauer, ich brenn
dir ihn heraus." Und der Alte zündete den Hahn an, und der brannte
durch das ganze Bund bis zur Ähre, die andern Halme aber brannten
nicht. So demütig gehorchte das wilde Feuer.
Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)