DIE FLUCHWIESE

So heißt die Wiese bei Mariazell nach einer anderen Überlieferung. Ehemals soll dieses kahle Feld die schönste Wiese der ganzen Gegend gewesen sein. Ihr letzter Besitzer hinterließ sie seinen beiden Söhnen. Von diesen wollte jedoch jeder die üppige Wiese für sich nehmen. Es entspann sich daher zwischen beiden ein Streit, der immer hitziger wurde, jeder wollte Herr der Wiese sein. Endlich kamen sie überein, daß beide zu gleicher Zeit, jeder von einer anderen Seite, zu mähen anfange, und daß demjenigen, welcher beim Mähen zuerst über die Hälfte der Wiese hinauskäme, dieselbe als Eigentum zufallen solle.

Beide begannen gleichzeitig an zwei entgegengesetzten Seiten zu mähen, jedoch keiner war schneller als der andere, daher trafen sie in der Mitte des Grundstücks zusammen. Darüber gerieten beide in Zorn, so daß sie mit der geschliffenen Sense aufeinander losschlugen. So verloren beide das Leben. Von der Zeit an ruhte auf jener Wiese kein Segen mehr, sondern es lastete der Fluch auf ihr. Das erkennt man daran, daß auf dieser Wiese auch nicht ein Grashalm wächst.

(Mündlich)

Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858