ROHRER Joseph, Über die Tiroler. Ein Beitrag zur österreichischen Völkerkunde, Wien 1796.
Für die Digitalisierung wurde das Exemplar der Universitätsbibliothek Innsbruck verwendet.
© Digitalisierung: Veronika Gautsch, www.SAGEN.at
-
"Tabakrauchen [...]. (Eine Gewohnheit, an welcher selbst das weibliche Geschlecht in manchen Tälern, wie zum Beispiel im Montafon, Behagen findet. Auf den Wochenmärkten zu Feldkirch kann man häufig die Landmädchen zu Nüziders, Frastanz, Satteins mit der Pfeife im Mund bei ihren Kirschen sitzen sehen.)"
(Aus: ROHRER Joseph, Über die Tiroler. Ein Beitrag zur österreichischen Völkerkunde, Wien 1796.)
-
"Es ereignet sich nämlich in mehreren unfruchtbaren tirolischen Tälern alljährlich der Fall, daß sie auf einige Monate von ihren männlichen Einwohnern, wie unsere Donauufer von den wilden Gänsen verlassen, und erst nach geraumer Zeit wieder besucht werden. Die Veranlassung zu diesem periodischen Erscheinen und Verschwinden liegt teils in der die Tiroler umgebenden, teils in ihrer eigenen Natur. Schon der tierische Instinkt muß diese Gebirgssöhne beinahe verleiten, alle den empfindlichen Stößen auszuweichen, welche von Erde, Feuer, Luft, Wasser, mit einem Wort von allen Elementen abwechselnd auf sie zudringen. Erwägt man ferner die selbst im Verhältnis zur künstlichen Fruchtbarkeit des Landes zu große Bevölkerung, welche den Tiroler bereits auf den unwirtlichsten Felsen Ansiedlungsplätze zu suchen zwingt, und bringt man zu alldem noch den jeder Menschenseele eingepflanzten, bei diesem Bergvolk aber durch mannigfache Unfälle vorzüglich gereizten Trieb nach größerem Glück mit in billigen Anschlag, so kann man wirklich nicht länger über die Entstehungsgründe der Wanderungssucht der Tiroler verlegen sein."
(Aus: ROHRER Joseph, Über die Tiroler. Ein Beitrag zur österreichischen Völkerkunde, Wien 1796.)
-
„Aus dem Schwazer Kreis reist zwar auch ein Teil zu Handarbeiten außer Landes, wohin unter ändern jene 40 Bergknappen gehören, welche einem von Seite von k. k. Hofkammer in Münz- und Bergwesen geschehenen Aufruf zufolge, nach Chemnitz gingen; allein der ungleich beträchtlichere Teil der zu diesem Kreis gehörigen Unterinn- und Wipptaler geht lediglich um des Handelswillen vom Haus und kommt bald möglichst wieder mit dem ersparten Notpfennig zurück. Hierher gehören erstlich die sogenannten Stuffenhändler. Es sind meistens Landleute aus dem tirolisch-zillertalischen Anteil. Sie suchen sich Turmaline, Strahlenschörle, seltene Unarten des gemeinen Granites, Kristalle und Marmorstücke von mehr als hundertfachen Abänderungen, und handeln dann mit diesem kleinen Mineralienfundus in Augsburg und München. Zweitens sind hierher die sogenannten botanischen Kollektanten zu rechnen, welche gleichfalls Bauern aus den Gerichten Rottenburg, Rattenberg und Rettenberg sind. Ich erinnere mich, daß sie mit ihren Tragen, in welchen eigene Behältnisse für Kräutertafeln, Holzarten in Stücken, Samen und Kapseln angebracht waren, über Straßburg, zur patriotischen Agrikultur-Societät nach Kehl gingen. Endlich können drittens auch jene Landleute aus dem Wipptal hier angeführt werden, welche Öfters in den Kaffeehäusern Wiens hausieren, und in ihren Tabuletten niedlich gerollte mit sogenannten Gemskräutern gefüllte, und mit der Aufschrift: Lungen-Galltee u. v. m. versehene Papiere mit sich führen. Ungleich wichtiger als die bisher genannten sind jene Männer in den Dörfern des Wipptales als in Fulpmes und Stubai, u. v. m., welche sich nebst dem Ackerbau auch auf den Handel der von den Ihrigen aus Eisen und Metall verfertigten Waren, als da sind Bügeleisen, Messer, Pfannen u.v.m. verlegen, und in Ungarn ihren Absatz suchen. So sah ich in der Jubilatemesse 1792 drei Kompanien, jede derselben aus zehn dergleichen Tiroler Bauern bestehend, auf dem Wiener Postschiff nach Pest und Osen fahren. Einige aus dem Zillertal handeln auch mit Gemsleder, das sie den Gämischgärbern in Rattenberg, Schwaz u. v. m. abkaufen und nach Österreich und Ungarn bringen. Ihre gelben gemsledernen Waschhandschuhe werden von jedem geschätzt, der ein Gefühl für Bequemlichkeit des Lebens hat. Der größte Teil aber der aus diesem Kreis wandernden Tiroler besteht in Ölträgern. Man kann wenigstens 400 dergleichen, welche aufs Geratewohl in die weite Welt verschickt werden, zählen. Ihre in der Wurzel- und Kräuterkunde geprüften Herren sind auch nichts anders als wahre Landleute. Diese letzteren besitzen in ihren Dörfern eigene feuersichere Laboratorien; ziehen in ihren Bauerngärten eigens verschiedene Gewächse wie den Lavendel und Rosmarin, um aus ihren Blumen und Blumenkelchen verschiedene Öle destillieren zu können, und benützen die ganze Flora ihrer Gegend zum Salbei- (Es ist die Salvia glutinosa, welche in reichlicher Fülle an den Bergen und Hügeln des Ziller- und Brixentales prangt. Im Brixentale ist ein eigener Berg, der bald Sommer-, bald Salbeiberg genannt wird.), Wacholder-, Tannzapfen-, Kienöl, Mithridat und anderen ähnlichen Quintessenzen. Diese Leute sind meistens Zillertaler, aus der Hofmark Stumm, aus Uderns, Ried, Rotholz, von Kupfnerberg. Hart und dem österreichischen Anteil von Fügen. Gewöhnlich nimmt die eine Hälfte der versandten Knechte ihren Weg in das H. R. Reich; die andere aber geht auf dem Inn in die österreichischen Provinzen hinab. - Das von ihnen unter dem Namen Dirschenöl angebotene Steinöl wird in ihrer Nachbarschaft, nämlich im Achental, aus einem mit demselben an geschwängerten Stinkstein erhalten. Man bedient sich bei Viehkrankheiten dieser Öle im Marchfeld und anderen viehreichen Gegenden. Endlich führen auch diese Öltrager das für den Hundbiß vorteilhafte Skorpionsöl mit sich. Die lebendigen Skorpione werden ihnen über das Gebirge von den Welschtirolern zugetragen. Wir sehen also, daß sich der Handel der tirolischen Zillertaler nicht bloß auf vegetabilische Öle einschränken, sondern auch auf mineralische und tierische erstreckt. So plünderte der fleißige Tiroler, dessen natürliche Empfindsamkeit durch die Not geschärft wird, alle drei Reiche der Natur, um sich dadurch für seinen stiefmütterlichen Boden schadlos zu halten.“
(Aus: ROHRER Joseph, Über die Tiroler. Ein Beitrag zur österreichischen Völkerkunde, Wien 1796.)
-
„Neben den Grödnern sind aus dem Lorenzer Kreis besonders die Bauern aus dem Tal Defereggen anzumerken, die meines Erachtens unter allen Tirolern am meisten in der Welt herumfahren, und aus allem, selbst aus ihrem Witz, einen Handlungsartikel zu machen verstehen. Ihr bester Verschleiß besteht erstlich in dem Handel mit Obst, welches sie nicht etwa in ihrem Tal (denn dieses hat nicht einmal Holzbirnen), sondern meistens in den Landgerichten Meran und Bozen kaufen. Alljährlich bringen diese Deferegger mehrere hundert mit Maronen [Kastanien], Lazzarolen [Apfelsorte], Granat- und Rosmarinäpfeln, Quitten und dgl. edlen Früchten gefüllte Kisten nach Wien; ebenso tragen sie auch die köstlichsten Pfirsiche, Marschanzger [Marillen] u. v. m. in mehrere Reichsprälaturen. Zweitens handeln sie mit weißen und perlfarbenen Klapp- und Fingerhandschuhen nicht nur in den ansehnlichsten Häusern der Kaiserstadt, sondern geben sich wohl auch die Ehre, dieselben den Damen in den erbländischen Hauptstädten Brunn, Prag, Preßburg und Hermannstadt in eigener Person zu überbringen. Diese Handschuhe werden aber nicht in ihrem Bergtal, sondern in anderen Orten des Lorenzer Kreises wie in Lienz, Toblach, Innichen, dann auch in Innsbruck und Hall verfertigt, in welchen genannten tirolischen Gegenden die Handschuhmacher sich bestens auf die Kunst verstehen, ihren aus jungen Ziegenfellen bereiteten, seidenhaften Handschuhen eine schöne Glasur und einen angenehmen Geruch zu geben. Endlich, und dies ist ihr beträchtlichster Verschleiß, handeln die Deferegger drittens mit schafwollenen Teppichen, welche aber ebensowenig, als ihre Handschuhe in Defereggen selbst, sondern meistens in einigen Dörfern des Lorenzer Kreises, nämlich in St. Sigmund und Welsberg, gemacht werden. Ein Teil dieser Teppiche wird erst in der Reichsstadt Nördlingen gekauft. Doch sind dieselben aus der letztgenannten Stadl den Tirolern um einen Gulden leichter feil, weil sie geringhaltiger sind. Mit diesen tirolischen und nördlingischen Produkten handelten die Tiroler noch vor kurzem während der glücklicheren Zeiten der statthalterischen Regierung vornehmlich in Holland.“
(Aus: ROHRER Joseph, Über die Tiroler. Ein Beitrag zur österreichischen Völkerkunde, Wien 1796.)