Der behaarte Mann.
Irgendwo, ich weiss nicht wo, war auf der Welt einmal ein König,
der hatte unter vielem anderen auch zwei Äcker mit Raps. Auf dem
einen brannten jede Nacht, die der liebe Gott werden liess, ohne Ausnahme,
zwei Haufen davon nieder. Da ward der König schrecklich zornig; er
schickte bewaffnete Soldaten aus, dass sie den Brandstifter einfingen.
Doch das nützte nichts. Keine Menschenseele konnte den erblicken.
Neunhundert Gulden versprach er demjenigen, der den Brandstifter einfangen
würde. Aber auch das verkündete er, dass er denjenigen, der
das Feld nicht ordentlich beschütze, töten lassen werde. Es
waren so viele, viele Leute! Aber keine Rede davon, dass sie es hätten
beschützen können.
Neunundneunzig Leute hatte der König schon töten lassen, als
ein kleiner Schweinehirtenjunge zu ihm kam. Dieser kleine Schweinehirtenjunge
hatte zwei Hunde, der eine hiess "Pst," der andere"Still".
Er sagte dem König, dass er die Haufen schon bewachen werde.
Als es dunkelte, ging er zum vierten Haufen hin, von dem aus er alles
sehr schön überblicken konnte. So um die elfte Stunde sah er
auf einmal, dass jemand zu dem Haufen ging und ihn anzündete. Na,
Gevatter, auf dich warte ich gerade! Sogleich rief er den beiden Hunden
zu: "Pst, Still, greift ihn!" Darauf hatten die auch nur gewartet.
Natürlich griffen sie ihn.
Am andern Morgen brachte er den Menschen gebunden zum König; das
freute den König so, dass er ihm sogleich tausend Gulden in die Hand
drückte. Jener Mann aber war über und über mit Haaren bewachsen,
fast wie ein unvernünftiges Tier. Er wurde nun in eine feste Kammer
eingesperrt; danach schickte der König überall hin Briefe an
die Könige und Prinzen, dass sie kommen und dieses Wunder anschauen
sollten.
Das war alles ganz gut; aber der König hatte einen zehnjährigen
Sohn. Der sah sich einmal den behaarten Mann an, und da beschwor ihn dieser
flehentlich, er möge ihn doch befreien. Da erbarmte er sich seiner.
Er entwendete seiner lieben Mutter den Kammerschlüssel und öffnete
die Thüre; dann trug er ihn wieder zurück. Der behaarte Mann
aber zog in die Welt hinaus.
Da kamen nun die Könige und die Prinzen, einer nach dem anderen.
Sie hätten wohl gern den behaarten Mann angesehen, aber da war nirgends
einer! Der König berstete fast vor Wut. Solch Schimpf und Schande
einzuheimsen! Er stellte seine Frau zur Rede; er sagte ihr, dass er sie
in eine Schilfhütte setzen und darin verbrennen lassen werde, wenn
sie den behaarten Mann nicht herbeischaffe. Die Frau verteidigte sich,
dass sie von nichts wisse; wenn ihr Sohn nicht den Schlüssel fortgenommen
habe, sie habe ihn nicht herausgelassen.
Da holten sie den kleinen Königssohn vor, nahmen ihn über alles
ins Verhör, und der sagte schliesslich, dass er den behaarten Mann
herausgelassen habe. Mehr bedurfte es nicht! Der König befahl den
Dienern, dass sie den Knaben sogleich hinaus in den Wald führten,
ihn dort dann töteten und ihm von seiner Lunge und Leber ein Stück
brächten.
So geschah es auch. Sie führten ihn hinaus; aber der Knecht hatte
Erbarmen mit ihm. Er erschoss den Hund, der mit ihm gegangen war; von
dessen Lunge und Leber brachte er dem Könige etwas mit nach Hause.
Der schaute es gar nicht an, sondern warf es den Hunden vor. Als die es
beschnuppert hatten, schlichen sie davon.
Der Königssohn irrte nun unstät im Walde umher. Einmal wie er
ging, er wanderte wohl schon fünf Jahre umher, fand er ein ärmliches
Häuschen und darin einen alten Mann. Er kam ins Gespräch mit
ihm und erzählte ihm sein Schicksal. Da erkannten sie sich wieder;
der graue Alte war der behaarte Mann, den der Königssohn befreit
hatte und der von jener Zeit an immer in diesem Walde gewohnt hatte.
Hier blieb der flüchtige Königssohn zwei ganze Jahre; dann wollte
er weiter ziehen. Der Alte bat ihn sehr zu bleiben; aber er zog weiter.
Da gab er dem Königssohn einen goldenen Apfel, aus dem sprang, wenn
er es brauchte, ein goldmähniges Ross, dazu einen goldenen Stab,
mit dem er das Ross leiten sollte, einen silbernen Apfel, aus dem kamen
die schönsten Husaren heraus, und einen silbernen Stab, und auch
noch einen kupfernen Apfel, aus dem kamen Soldaten zu Fuss heraus, so
viele, so unendlich viele, und einen kupfernen Stab. Er band dem Königssohn
auf die Seele, dass er auf die Geschenke gut Acht haben solle, und damit
liess er ihn seines Weges ziehen.
Da wanderte er und wanderte, bis er einmal in eine Stadt kam. Hier verdingte
er sich beim König als Diener. Niemand kümmerte sich um ihn;
er lebte nur so ruhig hin.
Einstmals brachte man dem König die Nachricht, dass er in den Krieg
ziehen müsse. Er fürchtete sich schrecklich, denn er hatte wenig
Soldaten; aber er musste ziehen.
Als sie fortgezogen waren, sagte der Königssohn zur Köchin:
"Gebt mir Urlaub, dass ich in das Nachbardorf gehen kann; ich habe
dort eine kleine Schuld; die möchte ich einziehen."
Die Köchin liess ihn fort, da nichts zu thun war.
Als er aus der Stadt war, zog er seinen goldenen Apfel hervor. Wie das
prächtige, schöne Ross heraussprang, schwang er sich darauf
und zog weiter. Dann nahm er den silbernen Apfel vor und den kupfernen
Apfel, und mit den schönsten Soldaten stiess er zu des Königs
Heer.
Als dieser ihn erblickte, erschrak er sehr; denn er wusste nicht, war
das ein Feind oder was?
"Ich bringe Eurer königlichen Majestät Hilfe," sagte
der Königssohn.
Da freute sich der König sehr und fürchtete nun auch nichts
mehr vom Feinde. Dort waren auch des Königs Töchter; die luden,
als sie aufbrachen, den Königssohn sehr herzlich in ihren Wagen ein,
um sich mit ihm zu unterhalten. Aber er stieg nicht zu ihnen ein, sondern
blieb zu Pferde und unterhielt sich so mit ihnen. Mit denen konnte man
sich aber auch unterhalten, denn sie waren so schön, so wunderschön!
Besonders die jüngere! Der Ruf ihrer Schönheit erscholl durch
alle Lande. Während der Unterhaltung nahm die jüngere ihren
Ring, und die ältere riss ihr Taschentuch in zwei Hälften, das
gaben sie dem Königssohn.
Aber da waren sie auf einmal schon vor dem Feind. Der König fragte,
ob sein Heer vorangehen solle oder das des Königssohns. Der Königssohn
zog voran und kämpfte mit seinen Husaren so tapfer, dass vom Feind
nur zwei Mann übrig blieben, und auch die nur als Boten.
Jetzt freute sich nicht nur der König aufrichtig, sondern auch die
Mädchen. Als sie heimwärts fuhren, luden sie wieder den Königssohn
zum Gespräch ein; aber er kam nicht, sondern sprengte mit seinen
Husaren von dannen.
Als er nahe der Stadt war, packte er seine Soldaten und sein Ross wieder
zusammen und schlenderte in die Stadt. Zu Hause schalt ihn die Köchin
aus und zwar tüchtig, dass er so lange gesäumt hatte.
Damit wäre die Sache nun fertig gewesen; aber die jüngere Königstochter
(wie es kam, weiss ich selbst nicht), kurzum, sie verliebte sich in den
Königssohn. Der gab ihr seinen kupfernen Apfel und Stab; denn auch
er liebte die Prinzessin.
Einmal, als sich die Prinzessin mit ihrem Vater unterhielt, sagte sie
so von ungefähr, ob es nicht ihr Diener gewesen sei, der ihnen geholfen
habe. Der König geriet darüber in Zorn und befahl, dass sogleich
des Dieners Zimmer durchsucht werden sollte. Und da fanden sie denn wirklich
den goldenen Ring und das halbe Taschentuch. Als sie es dem König
gezeigt hatten, liess er sogleich den Königssohn zu sich rufen und
fragte ihn, ob er es sei, der ihnen geholfen habe.
"Der bin ich, königliche Majestät."
"Aber woher nahmst du dieses schreckliche Heer?"
"Wenn Sie es zu sehen wünschen, kann ich es an der Stadtgrenze
zeigen."
So geschah es auch; doch den kupfernen Apfel und den kupfernen Stab forderte
er vorher von der Prinzessin zurück. Dann zeigte er ihnen alles,
und es wurden so viele Soldaten, dass sie kaum Platz hatten.
Der König gab ihm in seiner grossen Freude, besonders als er auch
noch erfuhr, dass er ein Königssohn sei, seine Tochter und sein Königreich.
Der Königssohn packte die vielen Soldaten wieder ein, jeden an seinen
Platz, und dann gingen sie in die Stadt.
Nicht lange darauf hielten sie dort grosse Hochzeit; vielleicht leben
sie auch jetzt noch, wenn sie noch nicht gestorben sind.
Quelle: Elisabet Sklarek, Ungarische Volksmärchen, Leipzig 1901, Nr. 13