Eisenkopf. 1)
Es war einmal, der Himmel weiss wo, irgendwo war einmal ein armer Mann
und der hatte auch ein kleines Bürschchen von einem Sohne. Einmal
sagte der arme Mann zu seinem Sohne:
"Mein liebes Kind, ich habe dich bisher gross gezogen, so gut es
eben ging; jetzt kann ich dich nicht länger mehr füttern; denn
ich bin selbst, arm. Geh hinaus in die Welt und dinge dich irgendwo ein;
denn du kannst mir's glauben, wer treu dient, der hat es gar gut und bekommt
sein Essen und seinen Lohn jeden lieben Tag. Gott sieht meine Seele: wenn
es mir nur ein klein wenig besser ginge, wollte ich schon besser für
dich sorgen; aber wie die Dinge nun eben stehen, thut man halt, so viel
man gerade kann."
Der arme Peter, denn so hiess der Knabe, steckte also ein Stück Brot
in sein Ränzel, warf sich's dann über den Rücken, nahm
einen derben Knotenstock zur Hand und zog so in die Welt hinaus. Er ging
nur immer seine Strasse über siebenmal sieben Lande, einen Dienst
zu suchen. Eines Tages begegnet er einem alten Mann; er zieht also den
Hut und grüsst:
"Gott gebe Euch einen guten Tag, altes Väterchen!"
"Auch dir, mein lieber Sohn, wohin des Weges?"
"Ich gehe, mir einen Dienst zu suchen."
"Dann stehe nur bei mir ein, ich nehme dich auf."
Gleich waren sie handelseins, und Peter schlug ein. Nun lebte er ohne
Kummer und Sorge; seinen Dienst zu verrichten, fiel ihm nicht schwer,
denn im Ganzen hatte er zwei Pferde und eine Kuh zu hüten. Das Jahr
hatte drei Tage, und als auch der letzte Abend gekommen war, gab ihm der
Alte eine Nuss; er hätte den Knaben auch gerne noch länger in
seinem Dienste behalten, aber dem Knaben war das Heimweh stark in die
Beine gefahren, er wollte nicht bleiben. Als der Alte sah, dass Peter
keine Lust habe, weiter zu dienen, nötigte er ihn nicht länger
zum Bleiben, sondern liess ihn mit dem nächsten Tage seiner Wege
ziehen.
Ganz betrübt ging nun Peter nach Hause; der Grund seines Kummers
aber war der, dass er sich keinen höhern Lohn ausbedungen. Für
die eine Nuss konnte er wirklich nicht viel Speck kaufen; er bringt sie
am klügsten gar nicht nach Hause; mit oder ohne Nuss, das geht schon
so ziemlich auf eins hinaus. Er setzte sich also an einen Graben hin,
nahm die Nuss heraus und knackte sie auf. Da - ach du mein lieber Gott!
- mögt ihr es nun glauben oder nicht, ich war selbst dabei, wie es
erzählt wurde, kamen die vielen Pferde, Ochsen und Schafe nur so
herausgeströmt, dass es schier kein Ende nehmen wollte. O weh, da
begann der arme Peter zu weinen und zu klagen, was um Himmelswillen er
denn mit dem vielen Vieh nur anfangen solle? Wie er es denn nur anstellen
solle, das alles nach Hause zu treiben? Vor lauter Betrübnis hätte
er sich beinahe Hände und Füsse abgebissen. Aber da kommt auf
einmal Eisenkopf des Weges her.
"Junge, warum weinst du? was fehlt dir denn?" frägt er
Peter.
"Ach, mein Bruder, wie sollte ich nicht weinen und jammern. Da habe
ich eine Nuss gehabt, und wie ich hergehe und sie aufknacke, kommt diese
Menge Vieh nur so herausgeströmt; was soll ich jetzt damit anfangen,
und wie soll ich das alles nach Hause treiben?"
"Also, mein Söhnchen, weisst du was, lass ein vernünftiges
Wort mit dir reden. Wenn du mir versprichst, Zeit deines Lebens nie zu
heiraten, so treibe ich dir das Vieh alles bis zum letzten Stücke
wieder in die Nuss hinein."
In seiner Bedrängnis hätte Peter sich wohl auch zu Schwererem
verstanden. Eisenkopf pfiff aber bloss einmal, und da drängte sich
das viele Vieh nur so in die Nuss hinein, dass eines an das andere stiess,
und kaum hatte das letzte Stück seinen Fuss hineingezogen, so schloss
sich die Nuss von selbst; Peter steckte sie in die Tasche und ging so
nach Hause. Vor dem Thore seines Vaters angelangt, knackte er die Nuss
von Neuem auf, und das Vieh strömte wieder daraus hervor, dass es
schier kein Ende nehmen wollte. Als der Vater die Menge Pferde, Ochsen
und Schafe sah, riss er die Augen auf, wie die Kuh vor dem neuen Thore.
Dann frug er seinen Sohn, wie er zu dem vielen Vieh gekommen sei, und
dieser erzählte ihm die ganze Geschichte haarklein, wie er bei dem
Alten eingestanden und wie es ihm mit der Nuss ergangen, die er als Lohn
bekommen, wie dann Eisenkopf die ganze Herde wieder hineingetrieben und
was er dafür als Entgelt gefordert habe; das alles erzählte
er ihm, wie gesagt, Wort für Wort.
Ein Teil des Viehes wurde dann verkauft und für den Erlös ein
Haus, Weingarten und Feld erworben; in kurzer Zeit hatte es der arme Mann
mit Gottes Hilfe so weit gebracht, dass er der erste Landwirt wurde im
ganzen Dorfe. So lebten sie eine Zeit lang, da sagt einmal der Vater zu
Peter:
"Peter, mein Sohn, es wird über kurz oder lang Zeit für
dich sein, an das Heiraten zu denken."
"Ach, mein lieber Vater, ich kann nicht heiraten, denn ich habe dem
Eisenkopf versprochen, ledig zu bleiben bis an mein Ende."
"Ach was, Versprechen hin, Versprechen her, das thut nichts zur Sache,
mein Sohn; wenn es ihm nicht gefällt, dass du ein Weib nimmst, so
soll er sich's anders einrichten. Übrigens, gesetzt den Fall, dass
er herkäme, so steht im Stalle ein guter Grauschimmel gesattelt und
gezäumt; wenn du dich auf den hinaufschwingst, giebt's den Menschen
nicht auf Gottes Erdboden, der dich einholen könnte. Da wird er schon
irgendwo deine Spur verlieren, du aber, mein Sohn, kehrst wieder zu uns
zurück, und dann werden wir leben wie der Fisch im Wasser."
So geschah es denn auch. Der Knabe machte Hochzeit und nahm ein hübsches,
braunes Mädchen zum Weibe, das war so schön, dass es eine Lust
war. Als die Musik gerade im besten Spielen ist und der Tanz gerade den
höchsten Jubel erreicht, - schreit Eisenkopf zum Fenster herein:
"Also, mein Bruder, weisst du noch, was du mir versprochen hast,
dass du nie heiraten wirst?"
Kaum hat der Bräutigam, nämlich Peter, den Eisenkopf durch das
Fenster erblickt, da springt er wie der Wind zur Thüre hinaus und
in den Stall, führt den Schimmel heraus, springt in den Sattel und
sprengt davon, dass er längst über alle Berge war, als ihm Eisenkopf
- freilich nur mit Hundevorspann - nachrannte.
Peter aber sprengte weit über siebenmal sieben Lande, selbst über
die gläsernen Berge hinaus, noch weit über die Stelle, wo das
Ferkel mit dem kurzen Schwänzchen wühlt, über jede Grenze
hinwärts, von jeder Grenze herwärts und kam dann an ein kleines,
weisses Häuschen, in dem eine alte Frau wohnte. Er öffnet die
Thüre und grüsst:
"Gott gebe Euch einen guten Tag, altes Mütterchen."
"Auch dir, mein Sohn; was suchst du hier, wo die Welt ein Ende hat?"
"Ich fliehe, altes Mütterchen, hinaus in die weite Welt."
"Mein Sohn, wenn du gefehlt hast, musst du noch einmal so weit fliehen,
als du bis hierher gekommen."
"Ich bin unschuldig, altes Mütterchen, aber der Eisenkopf ist
mir auf den Fersen."
"Ich habe ein kleines Hündchen, das beginnt zu bellen, wenn
er noch sieben Meilen weit von hier ist."
Dann ging die Alte hinaus, machte Feuer im Herde und kochte und briet
für ihren Gast; als Peter sich satt gegessen, begann das kleine Hündchen
zu bellen.
"Nun, mein Sohn, mein Hündchen bellt; mache, dass du fortkommst!"
Schnell sattelte Peter sein Pferd und sass auf. Wie er davonreiten will,
sagt die Alte zu ihm:
"Warte nur ein wenig, mein lieber Sohn, hier ist ein Tuch und ein
Kuchen; thue das in dein Ränzel, du wirst es noch brauchen können."
Peter bedankte sich schön für die Freundlichkeit, steckte Tuch
und Kuchen in sein Ränzel und sprengte davon. - Er ritt nur immer
weiter über siebenmal sieben Lande, selbst bis über die gläsernen
Berge hinaus, noch weit über die Stelle, wo das Ferkel mit dem kurzen
Schwänzchen wühlt, über jede Grenze hinwärts, von
jeder Grenze herwärts, auf einmal kommt er wieder an ein kleines,
weisses Häuschen und auch dieses war nur von einer alten Frau bewohnt.
Peter tritt ein und grüsst:
"Gott gebe Euch einen guten Tag, altes Mütterchen."
"Auch dir, mein lieber Sohn; was suchst du hier, wo die Welt ein
Ende hat?"
"Ich fliehe, altes Mütterchen, hinaus in die weite Welt."
"Mein Sohn, wenn du gefehlt hast, musst du noch einmal so weit fliehen,
als du bis hierher gekommen."
"Ich bin unschuldig, altes Mütterchen, aber der Eisenkopf ist
mir auf den Fersen."
"Ich habe ein kleines Hündchen, das beginnt zu bellen, wenn
er noch sieben Meilen weit von hier ist."
Dann ging die Alte hinaus in die Küche und kochte und briet, damit
ihr Gast nicht hungrig weiter ziehen müsse; - als Peter sich satt
gegessen, begann das Hündchen zu bellen.
"Nun, mein lieber Sohn, mein Hündchen bellt, mache, dass du
fortkommst!"
Schnell sattelte Peter sein Pferd und sass auf. Wie er davonreiten will,
sagt die Alte zu ihm:
"Warte nur ein wenig, mein lieber Sohn, hier hast du einen Kuchen
und ein Tuch, thue es in dein Ränzel, du wirst es noch brauchen können."
Peter bedankte sich schön für das Geschenk und steckte beides
in sein Ränzel. Jetzt hatte er schon zwei Tücher und zwei Kuchen.
Er gab seinem Pferde die Sporen und sprengte davon; wie der Wind flog
er über siebenmal sieben Lande, über die gläsernen Berge,
noch weit über die Stelle hinaus, wo das kleine Ferkel mit dem kurzen
Schwänzchen wühlt, über jede Grenze hinwärts, von
jeder Grenze herwärts, auf einmal kommt er wieder zu einem kleinen,
weissen Häuschen. Wie er eintritt, da ist in dem ganzen Häuschen
keine Seele, ausser einer runzligen, alten Frau; Peter tritt ein und grüsst:
"Gott gebe Euch einen guten Tag, altes Mütterchen."
"Auch dir, mein lieber Sohn, was suchst du hier, wo die Welt ein
Ende hat?"
"Ich fliehe, altes Mütterchen, hinaus in die weite Welt."
"Mein Sohn, wenn du gefehlt hast, musst du noch einmal so weit fliehen,
als du bis hierher gekommen."
"Ich bin unschuldig, altes Mütterchen, aber der Eisenkopf ist
mir auf den Fersen."
"Oh, mein lieber Sohn, ich habe ein kleines Hündchen, das beginnt
zu bellen, wenn er noch sieben Meilen weit von hier ist; bis dahin aber
lege dich hierher auf das Bett und ruhe dich aus. Ich gehe unterdessen
ein wenig in die Küche und werde dir schon etwas zusammenrichten,
damit du deinen Hunger stillen kannst."
Drauf ging sie auch gleich in die Küche hinaus, machte Feuer und
kochte und briet so viel, dass Peter nicht im stande war, das alles aufzuessen.
Als das reiche Mahl zu Ende war, begann das kleine Hündchen zu bellen.
"Nun, mein Sohn, das Hündchen bellt, jetzt kannst du dein Bündel
schnüren; aber bevor du weiter ziehst, nimm hier diesen Kuchen und
dieses Tuch. Jetzt hast du also schon drei Kuchen und drei Tücher,
denn ich weiss, dass dir auch meine Schwestern je einen Kuchen und ein
Tuch geschenkt haben. - Reite jetzt sieben Tage und sieben Nächte
in einem fort, dann wirst du am achten Tage beim Morgengrauen zu einem
grossen Feuer gelangen, in das musst du mit den drei Tüchern dreimal
schlagen, dann wird es sich vor dir auseinander teilen; reite ohne Furcht
durch die Öffnung, und wenn du mitten im Feuer bist, so wirf die
drei Kuchen mit der linken Hand hinter deinen Rücken."
Peter bedankte sich bestens für den Kuchen und den guten Rat, setzte
sich auf den Schimmel und sprengte davon. Er ritt sieben Tage und sieben
Nächte in einem fort und gelangte am achten Tage beim Morgengrauen
richtig an das grosse Feuer, welches sich, als er mit den drei Tüchern
dreimal hineinschlug, alsobald auseinander teilte und zu beiden Seiten
anzusehen war wie eine steinerne Wand; als er durch die entstandene Öffnung
hindurch ritt, warf er die drei Kuchen mit der linken Hand hinter seinen
Rücken und aus jedem Kuchen wurde je ein grosser Hund; diesen drei
Hunden gab er nun die Namen: Schwerwieerde, Eisenstark und Höregut.
- Kaum war Peter durch das Feuer geritten, da war auch Eisenkopf schon
beim Feuer angelangt, aber hindurch konnte er nicht, weil das Feuer vor
seiner Nase wieder zusammenschlug. Weil er nun nicht weiter konnte, biss
er sich beinahe die Hände und Füsse ab; allein was konnte das
helfen, es wären ja doch, nur seine eigenen Hände und Füsse
gewesen; so schrie er halt Peter nach:
"Warte nur, Hundekerl, Teufelskerl, vom Wasser ans Land gespülter
Bankert! das eine mal bist du meinen Händen entronnen, aber warte
nur, warte! wenn ich dich noch einmal erwischen kann, dann weiss ich,
dass du die Wehen deiner Mutter verfluchen wirst!"
So viel Verstand hatte aber Eisenkopf doch, dass er vom Feuer nicht wegging,
sondern sich dort niederlegte und auf gut Glück wartete. - Als dann
Peter sah, dass er nun nichts mehr von Eisenkopf zu fürchten habe,
ritt er nicht mehr in einem so wahnsinnigen Galopp, sondern hübsch
langsam. Wie er so seine Strasse zieht, kommt er auf einmal zu einem kleinen,
weissen Hause; er steigt aus dem Sattel und klinkt die Thüre auf,
da sitzt in der Mitte des Zimmers eine Frau in grauem Haare auf einem
kleinen Schemel und spinnt; am Fenster aber sitzt ein wunderschönes
Mädchen mit Wangen, rot wie Rosen, und Augen, glänzend schwarz
wie zwei Käfer; das schöne Mädchen ist gerade daran, sein
langes Goldhaar zu kämmen, das ihm bis zur Ferse reicht. Peter grüsst,
und die beiden danken gar freundlich.
"Was führt dich hierher, mein lieber Sohn?" frägt
ihn sodann die Alte.
"Ich suche einen Dienst, liebes Mütterchen."
"Gott hat dich gebracht! mein lieber Sohn, gelegener hättest
du schon gar nimmer kommen können. Ich nehme dich auf, willst du
bei mir einstehen?"
"Ach ja, mein Mütterchen, mit tausend Freuden."
Die alte Frau nahm also Peter in ihren Dienst. Peters Leben war nun die
reine Glückseligkeit; er ackerte und säete, hier und da aber
ging er mit seinen Hunden auf die Jagd; brachte er irgend ein Wild nach
Hause, so wusste es das schöne Mädchen so schmackhaft zuzubereiten,
dass sich Peter nach genossener Mahlzeit noch alle zehn Finger abschleckte.
Als einmal Peter und das Mädchen mutterseelenallein zu Hause geblieben
waren, kam es so zwischen ihnen zur Sprache, wo seine Heimat sei; dann
frug ihn das Mädchen, wie es ihm möglich gewesen, durch das
Feuer zu kommen? Da erzählte Peter, wie er mit den drei Tüchern
dreimal in das Feuer geschlagen habe, worauf sich dieses entzwei geteilt.
Halb gläubig, halb ungläubig hörte ihm das Mädchen
zu, und als Peter einmal von zu Hause wegging, schlich sie sich zu dem
Feuer und schlug mit den drei Tüchern dreimal hinein, worauf sich
dieses auseinander teilte wie auf Befehl. Kaum hat das Eisenkopf gesehen,
der, seitdem Peter ihm vor der Nase verduftet, fortwährend vor dem
Feuer herumgeschwenzelt, so frägt er nicht erst lange, ob es erlaubt
sei oder nicht, sondern trollt sich geraden Weges durch die Öffnung
hinüber; das Mädchen erschrak aber so sehr vor ihm, dass es
nicht recht lebendig und nicht recht tot war; sie lief also aus allen
Kräften nach Hause zu und Eisenkopf ihr nach; wie sie nach Hause
kommen, da brach das Mädchen in der Thüre nieder, Eisenkopf
aber ging in die Küche und versteckte sich unter dem Herde.
Es währte nicht lange, so kam Peter von der Jagd nach Hause, steckte
die drei Tücher, welche das Mädchen, das auch jetzt noch in
tiefer Ohnmacht in der Küche auf dem Boden lag, in der Hand hielt,
zu sich, hob das wunderschöne Geschöpf in seine Arme und trug
sie in das Haus; dort legte er sie auf das Bett, liebkoste und küsste
sie und rief sie mit hundert süssen Namen, bis sie endlich wieder
ins Leben zurückkehrte. Schwerwieerde aber legte sich, als er zu
Hause angelangt war, auf den Herd und drückte Eisenkopf beinahe zu
Tode.
Am folgenden Tage sperrte Peter seine Hunde in den Stall, er selbst aber
ging hinaus in den Wald. Kaum hatte das Eisenkopf bemerkt, als er ihm
auch gleich auf den Fersen war. Peter versah sich dess erst spät,
dass er verfolgt werde, und hatte kaum so viel Zeit, dass er auf einen
hohen Baum hinaufklettern konnte; Eisenkopf blieb also nichts besseres
übrig, als sich unter den Baum zu stellen.
"Komme nur herunter, du Galgenstrick!" sagt Eisenkopf zu Peter,
"komme nur herunter; weisst du noch, was du mir versprochen, dass
du nie heiraten wirst?"
"Gott stehe mir bei," sagt Peter, "ich sehe schon, dass
es aus ist mit mir; gestatte nur, dass ich noch dreimal eins rufe!"
"Meinetwegen, was mich anbetrifft, so magst du auch hundertmal rufen,
so lange bis dir die Kehle platzt; aber das ist einmal sicher, dass ich
dir gleich das Fell gerbe."
Peter begann also zu rufen:
"Eisenstark, Schwerwieerde, Höregut! meine lieben Hunde, kommt
mir zu Hilfe!"
Höregut vernahm den Ruf seines Herrn; er sagt daher zu den anderen
zweien:
"Holla, hört ihr, unser Herr ruft uns."
"Was du dir nicht einbildest, du Narr," sagt Schwerwieerde "weisst
du nicht, dass er jetzt beim Essen sitzt?" und damit gab er dem Höregut
eine tüchtige Ohrfeige, weil er so gelogen habe.
Peter aber schrie wieder:
"Eisenstark, Schwerwieerde, Höregut! meine lieben Hunde, kommt
mir zu Hilfe!"
Jetzt hatte auch Schwerwieerde das Rufen gehört; er sagt daher zu
den anderen zweien:
"Holla, hört ihr, jetzt hat uns unser Herr aber wirklich gerufen."
"Was dir nicht einfällt!" sagt Eisenstark, "ihr wisst
ja gut, dass er um diese Zeit mittagmahlt," und damit giebt er dem
Schwerwieerde eine Ohrfeige, weil er die anderen nur zum Narren haben
wollte.
Peter war beinahe schon ganz verzweifelt, dass seine Hunde selbst auf
sein zweimaliges Rufen noch nicht zum Vorschein kommen wollten; er schrie
also noch einmal aus voller Kehle und mit aller Kraft, die ihm nur zu
Gebote stand:
"Eisenstark, Schwerwieerde, Höregut! meine lieben Hunde, kommt
mir zu Hilfe!"
Jetzt hatte aber auch Eisenstark das Rufen gehört und sagt daher
zu den anderen:
"He, es ist aber doch wahr, dass unser Herr uns ruft; darum sage
ich, gehen wir!" - Im Augenblicke hatte Eisenstark den Stall in Trümmer
geschlagen, in den sie eingesperrt waren, und nun liefen alle drei in
die Richtung, woher das Rufen gekommen war. Wie sie in den Wald und unter
den Baum kamen, sagte Peter nur ein Wort, und alle drei fielen über
Eisenkopf her und hatten ihn in einem Hui so zerrissen, dass jedes Stückchen,
jedes Bröselchen, das von ihm übrig blieb, nicht grösser
war als ein Mohnkörnchen. Seit dieser Stunde ist Mohn auf der Welt.
Als Peter seinen Verfolger los war, stieg er vom Baume herunter, ging
nach Hause; daheim nahm er unter heissen Thränen Abschied von seiner
Wirtin und ihrer schönen, goldblonden Tochter, die ihm einen schönen,
goldenen Ring mit einem Diamanten zum Geschenke gab. Das war ein Zauberring,
aber das wusste weder das Mädchen noch Peter.
Hierauf sattelte Peter seinen Schimmel, sass auf und machte sich auf den
Weg. Aber ach, wie schwer fiel es ihm, sich von dem kleinen, weissen Häuschen
zu trennen, das Herz im Leibe brach ihm beinahe, wenn er an das schöne,
goldlockige Mädchen dachte. Aber was half's, er musste nun einmal
fort, denn er hatte zu Hause Vater und Weib, die seitdem weiss Gott in
wie grosser Betrübnis auf ihn warten und vielleicht in heisser Sehnsucht
nach ihm seufzen.
Wie er an das Feuer gelangt war, nahm er die drei Tücher heraus und
schlug damit dreimal in die Flamme, worauf diese schön auseinander
wich; als er hindurch gegangen, wurden die drei Hunde, die ihm auf Schritt
und Tritt gefolgt waren, wieder zu drei Kuchen, welche Peter mitsamt den
drei Tüchern in sein Ränzel steckte. Unterwegs kehrte er bei
jeder der drei alten Frauen ein, gab jeder ihr Tuch und ihren Kuchen zurück
und bedankte sich wieder gar schön für ihre Freundlichkeit.
Als Peter zu Hause ankam, war seine erste Frage:
"Wo ist meine Frau?"
"Ach, mein lieber Sohn, als du hinausgeflohen warst in die weite
Welt, da wurde die Arme ganz kopfhängerisch, weder Speise noch Trank
konnte ihr munden, sie wurde blass und blässer und welk wie das Laub
im Herbste; es dauerte auch nicht lange, da konnte sie sich nicht mehr
auf den Füssen erhalten, wurde bettlägerig, und als ein Monat
verstrichen war, da hatte sie der viele Gram, das viele Weinen und Wehklagen
und die Sehnsucht nach dir unter die Erde gebracht."
Wie Peter das hörte, begann er zu weinen und weinte und schluchzte
bitterlich wie ein Kind; zuletzt aber beruhigte er sich und fügte
sich in sein Schicksal, weil er wusste, dass es nun einmal so sein muss,
wie Gott in seiner Weisheit bestimmt.
Es mochte seitdem etwa ein halbes Jahr verflossen sein, da träumte
Peter eines Nachts, er solle den goldenen Ring mit dem Diamanten, den
er von dem schönen, goldlockigen Mädchen zum Andenken bekommen,
von der rechten Hand, an der er ihn immer getragen, herunternehmen und
an den Goldfinger der linken Hand stecken. Kaum war er erwacht, so zog
er den Ring also richtig von der rechten Hand herunter und steckte ihn
an den Goldfinger der linken Hand. Und in diesem Augenblicke, Herr in
deinem Reiche! mögt ihr es nun glauben oder nicht, ich war selbst
zugegen, wie es erzählt wurde, steht das schöne Mädchen
mit den goldenen Locken vor ihm. Hallo, Peter hat auch nicht mehr gebraucht,
er umarmt sie, küsst sie, und sie ihn wieder; darauf haben sie zu
einander gesagt:
"Nun, Herzensschatz, du mein, ich dein jetzt und in Ewigkeit; nicht
Spaten und Grabscheit kann uns fürderhin trennen."
Gleich wurde Priester, Henker und Eisenhut gebracht, der Priester traute
sie, der Henker strich sie mit Ruten, der Blitz schlug fortwährend
neben ihnen ein, konnte sie aber nie treffen. Dann wurde grosse Hochzeit
gehalten; ich war selbst bei dem Gelage und habe Sporen aus Stroh mit
Rädchen aus Hafer angehabt. Theiss und Donau waren hinter der Thüre
in einen Sack gesperrt; wie ich da nun meine Possen treibe, reisse ich
mit meinen Sporen von ungefähr ein Loch in den Sack: von dieser Stunde
an fliesst die Theiss und die Donau.
Aus ist's, ein Märchen war's, vielleicht ist's gar nicht wahr gewesen!
1) Die Übersetzung ist der Ungarischen Revue 1886 VI. Jahrg. S.
688 entnommen.
Quelle: Elisabet Sklarek, Ungarische Volksmärchen, Leipzig 1901, Nr. 15