Feenprinzessin Goldhaar. 1)
Es war einmal, der Himmel weiss wo, noch über dem operenzianischen
Meere war einmal ein reicher Mann, der hatte einen Sohn und der hiess
Sepp. Einmal, wie gerade Markt war, zählt der Mann seinem Sohne hundert
Gulden hin und sagt, er solle damit auf den Markt gehen und dort kaufen,
was just auf hundert Gulden gehalten wird, möge es nun sein, was
es wolle. - Nun gut! Sepp geht auf den Markt, lungert und stolpert dort
herum und gafft sich bald dies, bald das an; auf einmal sieht er bei einem
Löffelslovaken einen winzigen - wunzigen, ganz allerliebsten, kleinen
Holzbecher, der auch einen Deckel hatte. Er hebt den kleinen Becher von
der Binsenmatte, wo er neben den Holzlöffeln gelegen, auf, wendet
und dreht ihn und besieht sich ihn von allen Seiten, ohne aber das Deckelchen
zu heben; endlich fragt er:
"Wie gebt Ihr diesen Holzbecher?"
"Hundert Gulden," sagt der Slovak.
Sepp sagt kein Wort, zählt die hundert Gulden heraus, giebt sie dem
Slovaken, und damit steckt er den Holzbecher in die Tasche und geht nach
Hause.
Des Abends, als das Nachtmahl vorüber war, aber noch alles beim niederen
Tische 2) sass, frägt ihn der Vater:
"Nun, mein Sohn, was hast du denn um die hundert Gulden gekauft?"
"Den kleinen Holzbecher da, lieber Herr Vater."
"So zeige doch her! lass schauen, was darin ist."
"Meiner Treu, lieber Herr Vater, ich weiss es selbst noch nicht."
Damit machte er den Deckel auf: steht da ein zweiter Becher drin, der
aber auf ein Haar so aussieht, wie der erste. Er nimmt ihn heraus, macht
auch hier den Deckel auf, und da steckt wieder ein dritter Holzbecher
drin; wie er auch den öffnet, kommt er auf den vierten, im vierten
auf den fünften, im fünften auf den sechsten, im sechsten auf
den siebenten, und wie er nun den siebenten Holzbecher öffnet, da
springt eine kleine, ganz kleine Kröte heraus, gerade mitten auf
den Tisch. Die fällt gleich über die Speisereste her und frisst
und frisst, wie wenn man mit Peitschen auf sie einhauen würde. Augenblicklich
beginnt sie auch zusehends zu wachsen und anzuschwellen. Anfangs wurde
sie wie eine Nuss, dann wie ein Hühnerei, dann wie ein Gänseei,
zuletzt, als sie schon rein alles aufgefressen hatte, was nur auf dem
Tische war, war sie so dick wie ein echtes, rechtes ungarisches Laib Brot.
Die um den Tisch sassen, rissen nur die Augen auf, was denn aus dem allen
werden solle. Auf einmal - ihr würdet es kaum glauben, wenn ich es
euch nicht erzählte - fängt die grosse Kröte aber ganz
deutlich, mit einer Stimme wie ein Mensch, an zu reden: "Gebt mir
noch zu essen, denn ich habe grossen Hunger!"
"Geh in die Kammer, mein Sohn, und hole ein Brot und ein Stück
Speck vom Brette."
Sepp geht und bringt's. Wie die Kröte auch das aufgefressen hatte,
sagt sie:
"Jetzt macht mir im Winkel ein Lager zurecht, ich bin schläfrig."
So machten sie ihr also das Lager, die Kröte legte sich darauf und
schlief wie ein Sack.
Zwei, drei Tage lang wohnte sie also jetzt hier in ihrem Winkel, aber
weil sie immer und immer frass, wuchs sie auch in einem fort, und zuletzt
war es ihr hier zu enge, so dass man sie hinaustrug in die Strohscheune
und ihr hier ein gutes Plätzchen zusammenrichtete. In sieben Tage
wuchs sie an wie der grösste Ochse. Da bedankte sie sich schön
für die Unterkunft und für die Gastfreundschaft des Hauswirtes
und zog in die Welt. Sie geht und geht nur immerzu, endlich kommt sie
an einen grossen Teich, und da kroch sie hinein.
Der Bauer aber wurde von diesem Tage an ärmer und ärmer, er
mochte thun, was er wollte. Vergebens mühte er sich ab und wühlte
mit der Nase fast die Erde auf: es war rein alles umsonst. Zuletzt stand
er da, so wie mein Finger! Da sagt er also zu seinem Sohn:
"Mein Sohn, ich kann nicht weiter für dich sorgen; geh hinaus
in die Welt, versuche dein Glück, es wird schon irgendwie gehen.
Wir beide, ich und deine Mutter, wir werden wohl daheim nicht Hungers
sterben, wenn wir tüchtig zugreifen."
Sepp setzte sich also in Schwung und ging nur immer drauf los, über
siebenmal sieben Lande hinaus bis über die gläsernen Berge und
noch weiter bis über die Stelle, wo das kleine Ferkel mit dem kurzen
Schwänzchen die Erde aufwühlt: endlich kommt er in eine königliche
Residenzstadt. Er geht auch gleich an den Hof des Königs, und da
wurde er denn Kutscher. Anfangs ging es ganz gut, und er war der Lieblingskutscher
des Königs; doch auf einmal ritt den König der Teufel, so dass
er durchaus heiraten wollte, und jung war er doch nicht mehr, und hatte
das L gewiss schon übersprungen. Er lässt also Sepp zu sich
in den Palast hinaufrufen und sagt:
"Nun, mein Sohn! wenn du mir die Feenprinzessin nicht herschaffst,
lasse ich dich augenblicklich ohne viel Federlesens aufhängen."
Bei diesen Worten fiel dem armen Sepp das Kinn herunter; was thun? und
jetzt wohin? weiss er ja doch nicht einmal, ob Büh, ob Buh, nicht
einmal, wo sie wohnt? Aber wie dem auch sei, es muss nun einmal sein,
ob es will oder nicht, denn der König hat es befohlen. Sepp machte
sich also zurecht, und der König giebt ihm ein Ränzel voll Geld,
drei Laib Brot und ein Pferd mit auf den Weg. "Nun," dachte
Sepp bei sich, "so lange das hält, werde ich doch wohl einen
Menschen finden, der mir auf den richtigen Weg hilft." So brachte
er denn seine Sachen in Ordnung, sass auf und ritt nur immer in einem
weiter über siebenmal sieben Lande; plötzlich begegnet er einem
weissen Hund.
"Gott segne dich," sagt der weisse Hund, "gieb mir doch
etwas zum Beissen! Jetzt sind es schon sieben Jahre, dass ich nicht einen
Bissen gegessen habe. Ich bin schon so hin, dass mir die Gedärme
an die Wirbelsäule trocknen."
Sepp dauerte der Hund, und er gab ihm eines von seinen Broten.
"Wohlthun trägt Zinsen! Hier, ziehe drei Haare aus meinem Schwanze,
und geht's dir schief, so schüttle sie nur: in einem Nu bin ich bei
dir."
Nun gut. Sepp nimmt sich die drei Haare und thut sie in sein Ränzel,
dann frägt er:
"Sei doch so gut, könntest du mir nicht sagen, wo es nach Feenland
geht? ich möchte gerne hin."
"Das weiss ich nun gerade nicht, reden hören habe ich zwar schon
davon; aber gehe nur immer da geradeaus nach Osten, da kommst du an einen
grossen Fluss, und an dessen Ufer ist ein Fisch zwischen den Zweigen eines
Dornstrauches festgeklemmt: frage den, der wird es sicher wissen."
Nun zog Sepp weiter, immer geradeaus gegen Osten; es war schon ein gutes
Stück Zeit herum, da kommt er zuletzt endlich an den grossen Fluss,
und wie er so das Ufer entlang reitet, da sieht er auf einmal, wie dort
in einem Dornenstrauche ein grosser Fisch zappelt und halt durchaus nicht
weiter kann. Kaum hat der Fisch den Sepp auf seinem Pferde gesehen, so
spricht er ihn auch schon an:
"Gott segne dich! mache mich doch los aus diesem Dornstrauch! Jetzt
zapple ich schon volle sieben Jahre hier herum und kann mich nicht herausarbeiten,
und die ganze Zeit her ist niemand, aber rein niemand da vorbeigekommen,
der mich hätte befreien können."
Sepp dauerte der Arme, er stieg ab und machte ihn los.
"Ich bitte dich, gieb mir doch etwas zu beissen; ich bin so hungrig,
dass ich kaum aus den Augen sehe."
"Da ist ein Brot, das magst du behalten, und dich sattessen daran."
"Ach, ist wahr! beinahe hätte ich vergessen dich zu fragen:
wohin willst du denn eigentlich?"
"Ich suche das Feenland, könntest du mir nicht sagen, wozu das
liegt?"
"Das weiss ich nun gerade nicht, reden hören habe ich zwar schon
davon. Aber gehe nur immer da gerade nach Osten, da kommst du an einen
grossen Berg, auf dessen Gipfel sind zwei Tauben ins Netz gefallen, in
der Nacht kann man ihr Gejammer bis hieher hören; die musst du fragen,
die werden es sicher wissen. Doch warte nur ein wenig! da von meinem Schwanze
nimm dir drei Schuppen; sollte es einmal schlecht um dich stehen, so brauchst
du sie nur zu schütteln, und in einem Nu bin ich bei dir."
Sepp nahm sich die drei Schuppen und that sie in sein Ränzel, dann
setzte er den Fisch ins Wasser, sass auf und ritt seines Weges wohl über
siebenmal sieben Lande: auf einmal kommt er zu dem grossen Berg. Hier
band er sein Pferd unten zum Grasen an, er selbst aber stieg den Berg
hinauf, und da sieht er wirklich die zwei kleinen Tauben, die sich im
Netze gefangen und dort jammern.
"Ach, befreie uns doch von hier, wenn Mitleid in deiner Seele wohnt!
Jetzt sind es schon volle sieben Jahre, dass wir in dieses Netz gefallen,
und die ganze Zeit her ist niemand, aber rein niemand, nicht eine erschaffene
Seele da vorbeigekommen, die uns hätte befreien können."
Sepp that es leid um die Armen, er ging hin, befreite sie aus dem Netze.
"Ich weiss, ihr seid jetzt gewiss hungrig, hier nehmt dieses Brot
und esst euch satt daran."
Die Ausgehungerten fielen denn auch mit dem leeren Bauche, den sie hatten,
darüber her, so recht auf gut ungarische Art, bis alles bis auf das
letzte Brösel rein verschwunden war.
"Nun, du armer Bursche, du hast uns wirklich einen grossen Dienst
erwiesen, aber wir werden dir auch nichts schuldig bleiben: Wohlthun trägt
Zinsen. Ziehe uns aus dem Schwanze je drei Federn heraus, und wenn du
einmal in die Klemme geraten solltest, brauchst du sie bloss zu schütteln:
in einem Nu sind wir bei dir, und was nur in unseren Kräften steht,
das wollen wir für dich thun."
Sepp nahm also je drei Schwanzfedern der zwei Tauben und that sie in sein
Ränzel, dann aber frug er:
"Könntet ihr mir nicht sagen, wozu Feenland liegt? ich möchte
gerne dorthin."
"Ei, allerdings! wie denn nicht! wir sind ja gerade von dort. Setze
dich nur auf dein Pferd und reite uns nach!"
Sepp sass auf, die zwei Tauben flogen voraus und er immer ihnen nachgeritten
wie der Wind. Am siebenten Tage, da waren sie in Feenland.
Eingeborner Sohn Gottes! wenn Sepp je etwas Schönes gesehen, das,
was er hier zu sehen bekam, war gewiss das Paar dazu. In den Bächen
floss überall nichts wie Milch und Honig, und sogar das Gras war
hier aus Seide. Die Gärten waren einer schöner als der andere,
und die Blumen darin wetteiferten an Pracht und waren alle ganz aus Edelsteinen
zusammengesetzt. Die Bäume hatten silberne Stämme, und auch
die Zweige waren aus Silber, die Blätter daran jedoch aus purem Golde;
und das viele, viele Obst daran und die Menge Blüten, dass die Zweige
schier brechen wollten! Die Tautropfen auf den Blumen aber das waren alles
Diamanten.
Nun, da blieben Sepp wohl die Augen stehen vom vielen Schauen, denn das
steht nun einmal fest, dass er so etwas in seinem ganzen Erdenleben nicht,
nie, seitdem ihn die Mutter aufs Trockene gesetzt, gesehen. Es war aber
auch danach, wie er sich umsah! die Guckfenster fielen ihm beinahe heraus.
Nachdem er sich dann alles genug angestaunt, machte er sich auf die Beine,
und wie er so geht und geht, steht er mit einem Male vor einem ungeheuer
schönen Schlosse. War das aber ein Schloss! Was er bisher je an Schlössern
gesehen, das war ja dagegen kaum ein Schweinestall zu nennen. Die Wände
waren von Silber, die Fenster darin Diamanten, das Dach eitel Gold, das
Thor aber und die übrigen Thüren waren ausgelegt mit den herrlichsten
Juwelen, dass es nur so strotzte! In diesem Palaste nun wohnte die Feenprinzessin
Goldhaar ganz mutterseelenallein und sah auch gerade zum Fenster heraus.
Sie war so wunderschön zu schauen, dass ihresgleichen gewiss noch
kein Mensch gesehen. Ihr Haar war das lauterste Gold und ihre Augen zwei
schwarze Käfer, ihr Gesicht wie eine Rose, die Arme und alles andere
aber wie frischgefallener Schnee. Kein Maler hätte es schöner
zu malen gewusst. Kaum hatte dieses herrliche Geschöpf Sepp erblickt,
so kam sie heruntergelaufen zu ihm und umarmte und küsste ihn.
"Nun, schöne Liebe meines Herzens! du mein, ich dein bis in
den Tod! hier werden wir leben wie der Fisch im Wasser."
"Ach, schöne Liebe meines Herzens! ich kann nicht bei dir bleiben,
denn mich hat der und der König ausgesendet, um dich für ihn
zu holen; jetzt also: kommst du mit mir oder kommst du nicht?"
"Ach, schöne Liebe meines Herzens! wie ich da einmal in dem
und dem Teiche bade, fällt mir mein Ring ins Wasser; bis der nicht
wieder zum Vorscheine kommt, kann ich keinen Schritt von hier fort."
"Oh, schöne Liebe meines Herzens, ist's nur das? Den will ich
dir schon schaffen."
Dann führte die Feenprinzessin Goldhaar Sepp hinauf in den Palast,
setzte ihm Fleisch vor und Wein und hielt ihn gut. Als Sepp sich sattgegessen
und ausgeruht, schwang er sich in den Sattel und ritt hinaus an den Teich,
wo die Feenprinzessin Goldhaar den Ring verlor. Hier kramte er die drei
Fischschuppen aus seinem Ränzel, schüttelte sie, und in dem
Augenblick war auch der Fisch schon zur Stelle, den er aus dem Dornstrauche
befreit hatte.
"Was giebt's, lieber Meister, was giebt's?"
"Nicht mehr und nicht weniger, als dass die Feenprinzessin Goldhaar,
da sie hier im Teiche badete, ihren Ring im Wasser verlor, und den sollst
du mir jetzt herbeischaffen!"
"Oh weh! bei meiner erschaffenen Seele, das ist leicht gesagt! Denn
wie ihr der Ring vom Finger glitt, kam eine riesige Kröte daher und
verschluckte ihn."
"So rufe mir wenigstens diese riesige Kröte her."
Bei diesem Worte fuhr der Fisch, schwubs, ins Wasser, und es dauert nicht
lange, so ist er auch schon wieder da, und die grosse Kröte watschelt
hinterdrein. - Eingeborener Sohn Gottes! ist das gerade dieselbe grosse
Kröte, welche die Eltern des Sepp bei sich gepflegt hatten, und kaum
dass sie diesen erblickte, hatte sie ihn auch schon gleich wieder erkannt.
"Ja, was suchst denn du hier, wo schon kein Vogel mehr fliegt?"
"Ich suche einen verlorenen Ring. Der Fisch da sagt, dass du ihn
gefunden hättest."
"Weiss wirklich nicht, lass mal sehen."
Und jetzt begann die Kröte sich zu erbrechen, und da war der Ring
auch gleich heraus. Sepp will ihn gerade aufheben, aber springt da nicht
auf einmal ein Hase aus dem Busch, packt den Ring und damit hallo, hast
du nicht gesehen, galoppiert er davon wie aus der Flinte geschossen. Na,
Sepp braucht auch nicht mehr! er nimmt die drei Haare aus dem Ränzel,
die er vom Hunde bekommen, schüttelt sie, und da steht auch schon
der grosse, weisse Hund vor ihm.
"Was giebt's, lieber Meister, was giebt's?"
"Siehst du den Hasen dort? er ist mir mit einem Ringe davon; fang'
ihn!"
Kaum hat der Hund das gehört, hopp - hopp! in einem Nu über
Stock und Stein dem Hasen nach und rennt, was das Zeug hält. In einigen
Augenblicken hat er ihn eingeholt, in Stücke zerrissen und den Ring
wieder zurückgebracht. Sepp aber steckte ihn an seinen Finger und
ging damit zurück in den Palast der Feenprinzessin Goldhaar.
"Nun, schöne Liebe meines Herzens, hier ist der Ring, jetzt
komm aber auch mit mir."
"Ach, schöne Liebe meines Herzens, ich kann so lange nicht fort
von hier, bis mir nicht jemand aus der Quelle des Lebens und aus der Quelle
des Todes je einen Krug Wasser gebracht hat. Die aber sind an einem solchen
Ort, dass dorthin kein Mensch gelangen kann, er müsste denn die Flügel
des Vogels haben."
Sepp begann nachzudenken. Da fällt ihm auf einmal ein, dass er ja
von den zwei Tauben, die er aus der Falle befreit hatte, je drei Federn
erhalten habe. Er suchte sie also aus seinem Ränzel hervor, schüttelte
sie recht tüchtig, und schau, da waren auch gleich beide Tauben zur
Stelle wie die zehn Gebote Gottes.
"Was giebt's, lieber Meister?"
"Ach, der liebe Gott allein kann sagen, wie gross mein Unglück
ist! ... Aber wisst ihr auch, wo die Quelle des Lebens und die Quelle
des Todes ist?"
"Die kennen wir wohl."
"Nun also, so bringt mir von jeder ein kleines Krüglein voll."
"Ach, das ist keine so leichte Sache! Besonders aus der Quelle des
Todes, denn worauf davon auch nur ein Tropfen fällt, das ist verbrannt
und gestorben im selben Augenblicke! Doch sei's drum! Wenn es nur irgendwie
möglich ist, so sollst du davon haben, kost' es was immer."
Damit gab Sepp den beiden Tauben zwei silberne Krüge, mit welchen
diese davon flogen; sie schossen durch die Luft schnell wie der Gedanke
oder vielleicht noch schneller, auf einmal kommen sie zu einem grossen
Berge, und nicht genug, dass dieser aus eitel Glas war, war er auch obendrein
so steil, dass, wenn man darauf hätte herumklettern wollen, man sich
den Hals tausendmal hätte brechen müssen, selbst wenn der Berg
eine gewöhnliche Form gehabt hätte so wie andere. Wie ich also
sage, waren ganz, aber ganz am Gipfel dieses furchtbar hohen Berges zwei
Quellen; aus der einen floss das Wasser des Lebens, aus der andern das
Wasser des Todes, und beide brausten und sprudelten wie ein eiserner Topf,
in dem Wasser gekocht wird. Die beiden Tauben flogen also da hinauf und
schöpften jetzt den ersten Krug aus der einen und dann den zweiten
aus der andern Quelle voll. Wie sie nun damit fertig waren, nahmen sie
sich sozusagen gar keine Zeit auszuruhen, sondern flogen wieder den Weg
zurück und übergaben Sepp die zwei Krüge Wasser. Der brauchte
auch nicht mehr und wie ihn seine Beine nur tragen konnten, lief er damit
hinauf in den Palast.
"Na, schöne Liebe meines Herzens! hier ist, was du verlangt
hast, und jetzt komm aber mit mir."
"Ach, schöne Liebe meines Herzens! ich kann nicht fort von hier,
wenn wir nicht dieses Schloss samt Garten und allem, so wie es dasteht,
mit fort nehmen, so, dass aber auch nicht ein Nägelchen davon zurückbleibt!"
Nun, wenn der arme Sepp bis zur Stunde nie einen Kummer gehabt hätte,
jetzt war er drin. Das Kinn fiel ihm herunter wie einem, den man zum Galgen
führt. Er grämte sich ab und zerhärmte sich, nicht einmal
das Essen wollte ihm mehr recht schmecken. Was thun? was anfangen? Das
weiss der gute Gott allein! denn das ist ja doch eine Arbeit, dass selbst
tausend Wagen hundert Jahre lang nur immer hin und her zu fahren hätten,
und selbst dann noch nicht alles bis auf das letzte Restchen von der Stelle
geräumt wäre. - Auf einmal fällt ihm ein, dass er ja da
so einige Dinger habe; wie, wenn das eine oder das andere ihm gar helfen
könnte? Er nimmt sein Ränzel vor, nimmt die Federn heraus und
schüttelt sie, und siehst du, da sind auch schon die zwei Tauben
da.
"Was giebt's, lieber Meister, was ist dir zugestossen?"
"Ach, der liebe Gott allein kann sagen, wie gross mein Unglück
ist! ... Sagt mir doch, wie soll ich denn, ganz mutterseelenallein, diesen
Palast da wegtragen?"
"Ja, das wissen wir wahrlich nicht. Warum sollten wir dir's nicht
sagen, wenn wir's wüssten!"
Nun, hier war er also auch um nichts klüger geworden. Jetzt waren
nur noch die drei Haare zurück, die ihm der Hund gegeben, aber in
diese hatte er auch ein Vertrauen, wie in die Steinmauer! Er nimmt sie
also heraus, schüttelt sie, da steht auch schon der grosse, weisse
Hund vor ihm.
"Was giebt's, lieber Meister, was ist dir zugestossen?"
"Ach, der liebe Gott allein kann sagen, wie gross mein Unglück
ist! ... Sage mir doch, wie soll ich denn, ganz mutterseelenallein, diesen
Palast da wegtragen?"
"Ach, ist das alles? deswegen brauchst du wirklich nicht so schrecklich
betrübt zu sein. Ich habe zu Hause eine goldene Rute - warte nur,
ich werde sie gleich herbringen - mit dieser musst du je dreimal an alle
vier Ecken des Palastes schlagen, dann wird der ganze Palast zu einem
goldenen Apfel werden. Wenn du nachher wieder einen Palast daraus machen
willst, so beklopfe den goldenen Apfel rund herum mit der Rute, und augenblicklich
steht wieder der Palast vor dir."
Nun gut! Kaum hatte der Hund das gesagt, so war er verschwunden, doch
kaum hätte einer bis hundert zählen können, so war er auch
schon wieder da.
"Ich habe nicht schneller zurück sein können, die Kinder
haben die Rute beim Spielen verlegt und verräumt, und so musste ich
sie erst suchen. Da, nimm! - und dann thue nur genau so, wie ich dir gesagt
habe!"
Jetzt ging Sepp hinauf in den Palast zur Feenprinzessin Goldhaar und sagte
zu ihr:
"Nun, schöne Liebe meines Herzens, vorbei ist alle Trauer und
kein Grund mehr, den Kopf hängen zu lassen. Komm mit mir, wir nehmen
auch den Palast mit uns samt Garten und allem!"
Dann aber umarmte und küsste er sie, ging hinunter in den Stall,
sattelte sein Ross und hob die Feenprinzessin Goldhaar hinauf, er selbst
jedoch ging hierauf rund um den Palast und schlug mit der goldenen Rute
je dreimal gegen alle vier Ecken. Da war von Garten, Palast und allem
mit einem Male nur die leere Stelle zu sehen, und er war auf der kahlen
Heide allein mit dem Mädchen auf dem Rosse; zu seinen Füssen
aber lag ein goldener Apfel. Sepp hob den goldenen Apfel auf, that ihn
in sein Ränzel, schwang sich dann auch auf das Ross, und so ritten
sie denn und ritten immer zu über siebenmal sieben Lande, bis sie
endlich nach Hause kamen, an den Hof des Königs.
Wessen Freude konnte grösser sein als die des Königs, da er
die schöne Feenprinzessin erblickte? Er wäre imstande gewesen,
mit der blossen Hand Hasen fangen zu wollen, der alte Narr! Gab das jetzt
ein Herumhetzen der Diener dahin und dorthin, um Gäste zu sich zu
laden! Aber augenblicklich müssten sie kommen, denn es werde Hochzeit
gehalten. Dann liess er Sepp zu sich in den Palast rufen. Wie es nun gekommen,
wie nicht, kurz, die Feenprinzessin Goldhaar spritzte einige Tropfen von
dem Wasser, das aus der Quelle des Todes war, auf ihn, und in dem Augenblicke
war der arme Sepp auf einmal verbrannt und gestorben. Den alten König
traf beinahe der Schlag vor lauter Kummer, und er zergrämte sich
und härmte sich ab, so leid that es ihm um den braven Knecht.
"Ach, um den brauchst du dich wirklich nicht so abzuhärmen",
sagt die Feenprinzessin Goldhaar, "der wird gleich wieder ganz heil
und gesund sein!"
Da nahm sie den zweiten Krug und goss das Wasser über den toten Sepp:
gleich war er wieder lebendig und noch siebenmal schöner als zuvor.
Da kam den alten König auch die Lust an, und er bat die Feenprinzessin
Goldhaar, auch ihn wieder jung zu machen; diese schüttete also das
Wasser des Todes auf ihn, und da war er auch schon verbrannt wie dürres
Reisig - ja, aber im anderen Kruge war nun auch nicht ein Tropfen mehr,
und daher vermochte sie ihn auch nicht wieder ins Leben zu rufen. Was
konnte man anderes thun als ihn begraben - und das that man denn auch
und noch dazu gar prächtig.
Weil aber der König selig nicht Kind noch Kegel hatte, so blieb das
ganze Land dem Sepp. Der liess dann - das heisst nämlich, als er
schon König war - den alten Palast abreissen, kramte den goldenen
Apfel aus seinem Ränzel und beklopfte ihn rund herum mit der goldenen
Rute: da - Herr, du mein Gott! mögt ihr es nun glauben oder mögt
ihr es nicht glauben, steht da nicht mit einem Male an der Stelle des
alten Palastes dieser wunderschöne Palast hier, in welchem die Feenprinzessin
Goldhaar gewohnt hatte, mit Gärten und allem, ganz so wie er dort
gewesen, und auch hier so schön zu schauen, dass die Leute aus sieben
Landen kamen, ihn anzustaunen! Nun nahm Sepp die Feenprinzessin Goldhaar
zum Weibe. Bevor sie aber Hochzeit hielten, gingen sie noch, Vater und
Mutter der Prinzessin zu sich zu holen in das silberne Schloss. Nun führten
die beiden ein glückliches Leben miteinander; die Königin bekam
wunderschöne, goldlockige Kinder, und sie leben alle vielleicht noch
bis auf den heutigen Tag - wenn sie nicht gestorben sind.
1) Die Übersetzung ist der Ungarischen Revue 1887 VII. Jahrg. S.
563 entnommen.
2) Bei den Mahlzeiten der Bauern steht ein kurzbeiniger, meist runder
Tisch in Verwendung, zu welchem man sich auf ein niederes Bänkchen
setzt, wohl auch auf die Erde kauert und so zulangt.
Quelle: Elisabet Sklarek, Ungarische Volksmärchen, Leipzig 1901, Nr. 11