Elisabet Sklarek, Ungarische Volksmärchen, Leipzig 1901.
Vorwort.

Im Jahre 1857 erschien die letzte deutsche Sammlung ungarischer Volksmärchen. Da jedoch seitdem die Forscher auf diesem Gebiete in Ungarn viele neue Schätze gehoben haben, erschien es wünschenswert, sie auch einem grösseren, der ungarischen Sprache nicht mächtigen Kreise zugänglich zu machen. Vor allem sind es zwei Publikationen, die wertvolles Märchenmaterial darbieten: die im Auftrage der Akademie herausgegebene Zeitschrift Magyar Nyelvör und die im Auftrage der Kisfaludy-Gesellschaft herausgegebene Sammlung ungarischer Volksdichtungen.

Diesen Aufzeichnungen, für deren Treue und Zuverlässigkeit schon der Name der beiden gelehrten Körperschaften bürgt, sind nahezu alle Stücke der vorliegenden Sammlung entnommen. Nur zwei Märchen (No. 4 und No. 14) sind einer Sammlung Merényis entlehnt; sie wurden gewählt, weil sie interessante Varianten bekannter Märchen sind. Die schöne Sammlung von Kriza wurde nicht herangezogen, weil die vortreffliche englische Übersetzung von Jones und Kropf sie schon einem grösseren Kreise zugänglich gemacht hat. Die Nummern 9, 11, 15, 22, 26, 27, 37, 39, 40 sind schon früher in deutscher Übersetzung von G. Heinrich und A. Verbirs im 5., 6. und 7. Jahrgang der Ungarischen Revue 1) erschienen. Durch die besondere Güte des Herrn Prof. Dr. G. Heinrich in Budapest war es mir gestattet, diese Übersetzungen der vorliegenden Sammlung einzufügen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche.

Die Übersetzung schliesst sich ganz eng an das Original an. Härten oder Unbeholfenheiten des Ausdrucks zu mildern, schien in einer Sammlung, die sich in den Dienst der Märchenforschung stellen will, durchaus unberechtigt.

Die Anmerkungen machen auf irgendwelche Vollständigkeit keinen Anspruch. Aus der Fülle des Materials wurden zur Vergleichung nur in deutscher Fassung vorliegende Märchen der benachbarten Völkerstämme herangezogen, also die der Deutschen Siebenbürgens und Österreichs, der Rumänen, Walachen, Armenier, Zigeuner, der Tschechen, Polen, Russen, Bulgaren, Litauer, Südslaven, Griechen und dazu die klassische Sammlung der Brüder Grimm. Dagegen blieben die deutschen, französischen und englischen Übersetzungen ungarischer Märchen unberücksichtigt.

Das vorliegende Werkchen erfuhr von verschiedenen Seiten Förderung und Unterstützung, für die ich allen Beteiligten meinen besten Dank sage. Einen ganz besonders herzlichen Dank schulde ich den Herren Prof. Dr. Johannes Bolte in Berlin, der allzeit mit Rat und That mir hilfreich zur Seite gestanden und namentlich in den Anmerkungen wertvolle Unterstützung gewährte, und Dr. Adolf Schullerus, ev. Pfarrer in Gross-Schenk (Siebenbürgen), der ausser der nachstehenden Einleitung auch wesentliche Zusätze zu den Anmerkungen gütigst beisteuerte. Zwei skandinavische Parallelen zu No. 27 hat, durch gütige Vermittlung von Herrn Prof. Dr. Bolte, der dänische Forscher Herr Dr. H. F. Feilberg beigetragen.


Berlin, im Oktober 1901.
Elisabet Sklarek.

1) Ungarische Revue. Mit Unterstützung der ungarischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Paul Hunfalvy 1881-1883, von Paul Hunfalvy und Gustav Heinrich 1884-1895.

Quelle: Elisabet Sklarek, Ungarische Volksmärchen, Leipzig 1901