Der Tod des Goldenen Ritters
Nachdem Kaspar Winzerer, der Goldene Ritter, viele Jahrzehnte mit seinen Landsknechten in aller Herren Länder Europas gefochten und manchen Sieg für seinen Fürsten als Heerführer erkämpft hatte, zog er sich erst im hohen Alter auf sein Brannenburger Schloß zurück. Sein alter Freund und Kampfgenosse in vielen Schlachten war der nicht minder berühmte Landsknechtshauptmann Georg von Frundsberg, der in Schwaz in Tirol auf seinem Stammsitz seine alten Tage verbrachte. Reicher vielleicht als sein Freund war der Frundsberg, aber glänzend und fröhlich und höfischer Sitte zugetan waren sie beide immer noch gleichermaßen.
Lange hatten sich die beiden Männer nicht mehr gesehen. Darum lud im Jahre 1543 der Brannenburger seinen Freund ein, bei ihm einige Tage oder auch Wochen, ganz wie es ihm beliebt, zu verbringen. Bald saßen sich die Beiden wie so oft in früheren Zeiten gegenüber und frischten in der eichenholzgetäfelten, schummerigen Trinkstube auf der Brannenburg alte Erinnerungen auf. Des Winzerers Eheliebste, die adelige Frau Irmingard, verstand es, ein großes Haus zu führen und auch auf diese Weise dem Freund ebenso wie ihrem Ehemann Ehre anzutun.
Da beschlossen die beiden Haudegen, von kühnem Mannesmut und im Erinnern an vergangene stolze Tage frohgemut zu ritterlichem Tun aufgestachelt, ein Turnier auszutragen. Gleich am nächsten Morgen wollten sie gegeneinander im Kampfspiel antreten.
In der Frische des Morgens trafen sie sich, wie beschlossen, in güldener Wehr drunten auf dem Anger am Biberbach bei dem Badehäuschen, das wegen seiner Größe und komfortablen Einrichtung seinesgleichen auf den Burgen und Schlössern der Gegend nicht hatte. Jeder der beiden Ritter, hoch zu Roß, hatte seine Knappen, Speerbuben und Roßknechte mitgebracht und der ganze Troß umstand erwartungsvoll den Turnierplatz, auf dem das ergraute Freundespaar den ritterlichen Kampf austragen wollte. Vom Söller herab schauten mit von Ängstlichkeit geröteten Gesichtern die Ritterdamen zu.
Die Fanfaren ertönten, die zwei Kämpen begaben sich auf ihre Plätze an den Enden des Angers, legten ihre Turnierlanzen ein und galoppierten dann mit geschlossenem Visier aufeinander zu, um den Gegner aus dem Sattel zu werfen. Das aber gelang auf Anhieb keinem, sodaß sie erneut gegeneinander losritten. Aber da geschah das Unfaßbare: An des Goldenen Ritters Harnisch hatte sich eine Halsschiene unbemerkt verschoben, und ausgerechnet dort traf die Lanze des Frundsberg. Deren Spitze verletzte Winzerer schwer und er sank blutüberströmt vom schnaubenden Roß. Zu Tode erschrocken sprang Jörg von Frundsberg vom Pferd und eilte seinem Freund zu Hilfe. Einige von dessen Mannen hatten inzwischen schon die Rüstungsriemen gelockert. Er setzte sich zu ihm ins blutbespritzte Gras und bettete seinen Kopf in seinen Schoß, während die entsetzte Irmingard herbeigerannt war und nun händeringend, hilflos dabeistehen und zusehen mußte, wie mit dem Blut das Leben ihres getreuen Ehemannes verrann. Verzeihend und verstehend hauchte Kaspar Winzerer in den Armen seines Kampfgefährten und Freundes sein Leben aus, und es mochte ein geringer Trost gewesen sein für den wegen seines Mißgeschicks selbst in tiefster Seele zu Tode Getroffenen, als der Sterbende seine Genugtuung darüber äußerte, daß er nun doch nicht als Greis im Bett sein letztes Stündlein erwarten müsse, sondern das einem Ritter seines Schlages würdige Ende gefunden habe, nämlich im ritterlichen Kampf zu fallen.
In Georg von Frundsbergs Brust war aber nun alle Kampfeslust erstorben. Voller Trauer und trostlos zog er sich in bitterer Reue erst auf die Burg seiner Väter zurück und ging dann in das von seinen Ahnen gegründete Kloster Maria Tal bei Schwaz, um dort bis an sein Lebensende Buße zu tun. 1581 ist er gestorben. In der Gruft seiner Väter sitzt er, angetan mit goldener Wehr, auf einem Marmorsessel, sein blankes Schwert auf den Knien. So fand man den Leichnam des Ritters bei der Öffnung des Grabes im 17. Jahrhundert, und er war umschlungen von einem Frauenarm, den noch keine Verwesung verzehrt hatte. Seither verschließt ein roter Marmorblock die Grabstätte.
Der Goldene Ritter Kaspar Winzerer wurde in seiner bäuerlichen Heimat, in Sachsenkam bei Bad Tölz, zur letzten Ruhe gebettet.
In Brannenburg ist der Bachanger im Volksmund allmählich zum Badanger
geworden. Dort aber vernimmt der einsame Wanderer zu manchen Zeiten in
mitternächtlicher Stunde Waffengeklirr und wehklagendes Stöhnen.
Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 114