255. Das Waldhorn zu Gahlkow.

In dem Herrenhause des Hofes Gahlkow am Greifswalder Bodden, welcher gegenwärtig der Familie von Wahl zugehört, spukt es schon seit langen Zeiten auf eine gar sonderbare Weise. Man hört nämlich oft, besonders in stillen Nächten, ganz deutlich den Ton eines Waldhorns, welches die Melodie des geistlichen Bußliedes bläst: Herr, an dir hab' ich gesündigt! Dies Blasen geht manchmal durch das ganze Haus, meistentheils ist es aber oben auf dem Boden.

Von der Entstehung desselben erzählt man sich folgende Geschichte: Vor vielen Jahren, als das Gut noch bei einer anderen Familie war, lebte zu Gahlkow einmal ein Herr, der ein sehr ausschweifendes Leben führte. Wie der eines Abends in der Abenddämmerung mit seinem Kutscher von Greifswald zurückgefahren kam, da sah er am Wege ein Frauenzimmer stehen, die schön von Gliedern und Angesicht und mit herrlichen Kleidern angethan war. Der Gutsherr ließ geschwinde halten, und begab sich mit der Fremden in ein Gespräch; er sagte ihr viel Schönes und Liebes, und sie war sehr freundlich gegen ihn, so daß er in heißem Verlangen zu ihr immer mehr entbrannte. Was er aber in seiner Liebeshitze nicht bemerkte, das ersah auf einmal der Kutscher, nämlich daß das Frauenzimmer einen Pferdefuß und ein Hühnerbein hatte, und also der Teufel selbst war, der den Herrn auf solche Weise sich zu eigen zu machen gedachte. Der Knecht kreuzte und segnete sich, und rief in großer Angst seinem Herrn zu, was er gesehen hatte. Darauf erkannte auch dieser den Teufel, und er entsetzte sich dermaßen, daß er vor Schreck kaum wieder in seinen Wagen zurück konnte. Der Teufel lachte ihm höhnisch nach. Von der Zeit an hatte der Gutsherr keine Ruhe mehr. Sein einziger Trost war nur, wenn er auf seinem Waldhorne, dessen er ein großer Freund war, die Melodie des Liedes blasen konnte: Herr, an dir hab' ich gesündigt! - Das Lied hörte man seitdem jeden Abend und jede Nacht, denn auch nach seinem Tode muß er nun umgehen, und es blasen.

Mündlich.

Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 255