Wie er das Obernberger Tal ausschwenzen wollte

Einmal haben die Oberberger Bauern den Hexenmeister sehr erzürnt, so daß er nach reiflicher Überlegung den Entschluß faßte, das "ganze Tal kurzerhand mit Hof und Leut auszuschwenzen!"

Nach großen Vorbereitungen hatte er endlich ein furchtbares Hochwetter am Suntiger Joch und am Sandjoch zusammengebraut; dann fuhr er wie ein wilder Tuifl auf einem schwarzen Bock über die Suntiger Reiße zum Padrinser See (Obernberger See) - - -und "hinter ihm isch ollis schworz giwösn...!" Schon hatte er einen tiefen Graben aufgerissen, den man noch heute "Pfeifer Huisiles Graben" heißt, schon wollte er mit Gepfiff und Gekrach in den Wald einfahren und dann den Padrinser See "auslassen"- - - aber "er isch no nit gonz zum Holz (Wald) kemmen", da haben grad noch im rechten Augenblick die Wetterglocken von Sankt Nikolaus zu läuten begonnen, so daß Huisile beschämt wieder umkehren mußte. Denn jedes Wetter kann man bannen, wenn es noch nicht bis zum Wald gekommen ist. Hernach aber hat Huisile grimmig erzählt:

"Wenn die Miklas-Schellen nit geläutet hätten, dann hätt i 's gonze Tol ausg'schwenzt!"

Der Pfeifer-Huisiles-Graben, der von der Trackmoosscharte gegen den See herunterführt, erinnert noch heute an dieses gewaltige Naturereignis!

Aber diese schmähliche Niederlage wollte Huisile mit einem zweiten schlauen Angriff auf das Tal ausgleichen. Er wollte das Obernberger Tal bis zum Lochiler in Gries "ausschwenzen". Da er gegen die "Miklasen-Schelliler" nichts ausrichten konnte, wollte er ihnen diesmal ausweichen, indem er seinen Angriff vom Frode-Tal aus vorbereitete, das schon außerhalb der St. Nikolaus-Kapelle in das Obernberger Tal mündete. Tagelang führte er mit zwei Böcken Eis und Schnee auf die Höhe der Frode. Am Fuß der Steilhänge von Saatz bleibt der Lahnschnee immer bis zum Sommer liegen. Noch heute ist der Spruch gebräuchlich: "Wenn der Schnee auf Saatz vergangen ist, wird im Tal der Roggen reif!"

Dann entlud Huisile ein furchtbares Unwetter und jagte mit Blitz und Donner auf seinem Böcklein hinunter in das Tal. Hinter ihm brach eine wilde Güsse nieder. Was half es auch, daß die "Miklas-Schelliler" wieder zu läuten begannen? Die Schelliler läuteten ja hinter ihm, er brauchte sich nicht zu fürchten. Auch die Glocken von Sankt Lienhart in Vinaders hatten nicht so viel Kraft, das Wetter zu bannen. Als aber die kleinen "Goasschelliler" der Hauskapelle beim Similerhof (Maisenhof) zu läuten begannen und die berühmte Wetterglocke des Pilgerkirchleins von Sankt Jakob ober Gries, da war der Bann des Hexenmeisters gebrochen und Huisile "hat die Zügl fallen gelassen". Wild erzählte er dann herum:

"Wenn die Similers Goasschelliler nit geläutet hatten und der Sankt Jakober Kumpf nit g'schlagen, dann hätt i 's Talile außeng'schwenzt!"

Die Wetterglocke von Sankt Jakob bezeichnete er als "Kumpf" (Behälter für den Wetzstein). Aus dieser Glocke hat noch vor etwa 80 Jahren der alte Gogl ein Kreuzlein herausgestemmt, um damit das Wetter zu beschwören. Der Saatzgraben in Obernberg-Frode erinnert wie der Pfeifer-Huisiles-Graben an diese Wetterkatastrophe.

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 62 - 63.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.