Huisile überm Sprechensteinkofl

Im nördlichen Wipptal erzählt man sich die Geschichte folgendermaßen: Nach seinem Vertrag mit dem Schwarzen Schutzengel durfte Huisile keine Kirche mehr betreten und auch kein Kreuzzeichen mehr machen. Zufällig aber ging er an einem Sonntag an einer Kirche vorbei, wo gerade ein Bußprediger mit solch gewaltiger Stimme predigte, daß man seine Worte in das Freie hinaus hörte. Er sprach über den Bund mit dem Teufel mit schrecklichen Worten: "Wenn ein solcher Mensch stirbt, der mit dem Teufel einen Bund geschlossen hat, ist er rettungslos für Zeit und Ewigkeit verloren!"

Bei diesen Worten konnte Huisile seine Angst nicht mehr unterdrücken. Plötzlich packte ihn die Reue über seine Missetaten und er schlüpfte wirklich in die Kirche hinein, bevor ihn der Teufel erwischen konnte. Der Schwarze Schutzengel ärgerte sich rot und blau darüber und wollte es ihm gründlich heimzahlen. In achtungsvoller Entfernung wartete er draußen, bis endlich Huisile ganz zerknittert und zertattert wieder in das Freie schlich. Da riß ihn schon der Schwarze Schutzengel mitten aus der Menschenmenge, trug ihn wie ein Wirbelwind bis zu den Wolken und setzte ihn auf dem Sprechenfteinkofl wieder ab. Dort hob er ihn über die klaffende Wand hinaus und sagte:

"Huisile - wenn du willst, daß ich dich über die Wand hinunterwerf, dann will ich dich aufgeben und will nichts mehr von dir!"

Zitternd schaute das arme Huisile die Wand hinunter und er fürchtete sich. Doch siehe - Unsere Liebe Frau stand drunten am Fuß der Wand und hob ihren blauen Schurz in die Höh, als ob sie sagen wollte: "Huisile - fürcht dich nit!" Aber Huisile hatte dennoch zu wenig Vertrauen zu Unserer Frau. Er überantwortete sich auch diesmal dem Schwarzen Schutzengel, sonst wär er in dieser Stunde der Gnade erlöst worden.

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 92.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.