Lostage und Wetterregeln

Von Lichtmeß bis gegen Allerheiligen schaut der Bauer sozusagen mit einem Aug' in den Kalender, mit dem anderen zum Himmel. Von diesem erhofft er Sonne und Regen zur rechten Zeit für das Gedeihen seiner Güter, die ja wirklich sein ganzes Hab und Gut sind. Dieser Himmel ins Irdische übertragen ist der Kalender mit seinen Festen und der Liste der Heiligen. Darum rechnet der Bauer nie mit einem Datum, sondern drückt dies mit einem auf diesen Tag fälligen Heiligen aus. Er zahlt nie am 11. November einen Zins, aber wohl um Martini; nicht am 25. Juli ist ihm auf der Alm ein Kalbl derfallen, sondern um Jakobi; nicht am 20. Jänner ist der Fütterer am Tiese! erkrankt, nein, um Sebastiani.

Selbstverständlich wird der Landmann, was ihm am meisten am Herzen liegt: das Wohl und Wehe seiner Pergeln, Obstanger und Kornfelder mit den Kalenderheiligen in Zusammenhang bringen. So sind die Wetterherren groß geworden, die Lostage entstanden und die Wetterregeln gesetzt worden.

Der den Spottvers erdachte:

"Kräht der Hahn am Mist,
Ändert sich's Wetter.
Oder's bleibt, wie's ist",

der war sich gewiß nicht bewußt, auf wie eingehender, jahrhundertelanger Beobachtung und tiefgründiger Erfahrung die „Bauernregeln" aufgebaut sind. Ich möchte nur einige bringen, die sicher bereits Anno 1677 hier verbreitet waren:

Am St. Vinzenztag Sonnenschein,
Wächst viel Wein.

St. Pauli (Bekehr) klar.
Gibt ein gutes Jahr, ...
Wenn's regnet und schneit,
Wird teuer 's Getreid.

Trockner März, nasser April, kühler Mai
Füllt den Keller und macht viel Heu.

Wie's wittert am Medarditag,
So bleibt's ein Monat lang hernach.

Wenn's regnet am Johannestag.
So währt noch vierzig Tag die Plag;

Maria Himmelfahrt klar Sonnenschein
Bringt gar guten Wein.

Nicht „dummer Aberglaube", sondern der berechtigte Glaube an eine gewisse Wiederkehr und Gesetzmäßigkeit der meteorologischen Erscheinungen spricht aus den Wetterregeln der Bauern, deren Beruf den Himmel mindest ebenso genau zu beobachten zwingt wie der eines Seemannes. Auch die moderne „Wettervorhersage" kann alter Erfahrungen nicht entraten.

Eine hübsche, gedrängte und teilweise echt humoristische Auslese von Wetterregeln (nicht wie „der Hahn am Mist" falsch witzelnd), die auch in unserer Gegend im Gebrauch und in Geltung sind, bringt das Kastelruther Lied: „Die Übergab".

Am St. Martinitage wird ein Bauer sechzig Jahre alt und fühlt das Bedürfnis den Hof zu übergeben, aber auch den Sohn mit guten Lehren auszurüsten.

Davon handeln die ersten zwei Strophen:

3.

Vater : Merk dir die Lostag alle fein,
Es liegt nit wianig drun,
Wenn du a g'standner Bau'r willst sein
Und Nutzen hab'n darvun.
Wenn's G'wölk recht woltan z'fammenruckt,
Die Hütt'n oan schier gar derdruckt,
Recht finster ist der Wald:
Zelm kimmt a Reg'n bald.

Sohn: Gell Vater, 's werd windig, wenn lang glühnt der Ruß,
Und anbrinnt der Muatter das haberne Muß.

4.

Vater: Merk', wenn die Gans auf oan Fuß stiahn
Und pfosat sein und bod'n,
Und wenn die Hennen krahnen tian,
Die Frösch grad außerwot'n,
Die Tattermanndlen (Feuersalamander] fürergiahn,
Und z' morget 's G'wölk ist roat und schian'
Kimmt Regen oder Wind,
Und dös lei woltan g'schwind.

Sohn: Schau, schau auf an Reg'n hin loast all' der G'spaß
Die Groanzen, die Hennen, die Frösch und dös G'fraß.

5.

Vater: Wann lärmen recht die Weiberleut
Und gnapfaz'n und klag'n,
Die Fleach derstech'n ihnen d' Häut'.
Und grad von Faulsein sag'n,
Wenn's Häusl recht von Leder gibt,
Und weh oan tuat die ganze Kripp,
Die Schwalb'n niederfliag'n,
Dös Loas tuat nia betrüag'n.

Sohn: Ja, ja, es kimmt alm a Reg'n darnach,
0, dös ist wohl namla a wichtige Sach.

6.

Vater: Paß wohl auf den Antoni Abt
Und schaug dort auf'n Schlearn;
Wenn der zelm hat koan Neb'l g'habt.
Dann wachst der Plent'n gearn.
Wenn's um Medardi regnen tuat,
So dörrt koa Heu, i steh dir guat,
Es regnet vierzig Tag,
Und wohr ist, was i sag.

Sohn: Die Kathl hat's g'sagt und es werd aa so sein:
Wenn's sunnt um Urbani, so wachst Haufen Wein.

7.

Vater: Um Gregori los, ob's Wind! geaht,
Geaht oans, so ist es recht;
Geaht koans, dann Pelz und Handling flick,
Kalt werd's no und nit schlecht.
Um Lichtmeß sei's a rechter Graus,
Da schaut der Fuchs beim Loch heraus.
Wann's Wetter schian ist, dann
Hebt no a Winter an.

Sohn: I glaab, wenn die Faßnacht recht klar ist und hell.
So führt man den Pflug in den Acker recht schnell.

8.

Vater: Wohin am Auffahrtstag der Herr,
Wann er zum Himmel fahrt,
Z'letzt hinschaut, kimmt das Wetter her,
Dös hat si' oft verwahrt.
Und wenn's den Tag tuat rumplen wohl,
So werd'n alle Nuss'n hohl;
Wenn all's ist hell und klar,
Werd gar a g'segnt's Jahr.

Sohn: 0, dös ist a G'spaß, wenn's recht rumpelt und kracht,
Daß es die Nuss'n dann locherig macht.

9.

Vater: Am Pfingstsunntag, merk dir dös,
Wenn's feucht ist, trüab und naß,
So regnet's in Bachzuber [es regnet in Strömem] ja.
Und's Mehl gibt nach, woaß was.
Wenn's an ein' Sunntag regnet, schau,
Ob's Meßg'wand roat ist oder blau;
Hat er a grünes an:
Neun Sunntag regnet's dann!

Sohn: Jetzt kenn i wohl's Wetter, den Reg'n, den Schauer:
Jetzt wett i, jetzt werd i der g'standenste Bauer!

Ja, da hat er recht, der Sohn: wenn er die Wetterregeln kennt und sie vernünftig anzuwenden versteht, wird er ein tüchtiger Bauer werden; aber aufpassen heißt es auf vieles: auf's Gewölk, den Wind, auf gewisse Berge, Kirchenfeste und -gebräuche als Lostage, auf's Gliederreißen der Weiber mit sieben oder neun Häuten, auf den üblen Geruch, den die niederdrückende Luft im Umkreis eines stillen Örtchens verursacht, nicht zumindest auf die Tiere, die keine schlechten Wetterpropheten sind.

Bei wolkenlosem Himmel und heiterstem Sonnenschein ging ich übers Putzerjöchl und sah auf einer Rinderalm die Tiere mit erhobenen Schwänzen herumrasen; der Hirt, auf das ungebärdige Vieh deutend, sagte: „Mei Liabar, jatzt werst eppar müass'n schaugen, daß du oi (ins Tal) kimmst, heunte gibt's no a Wettar!" Wirklich ging einige Stunden später ein schweres Gewitter nieder, ich war gerade noch „oi" gekommen zu den ersten Sartheiner Häusern. Am Kratzberg (uns bekannt als Hexenplatz) waren etliche unscheinbare Wölklein aufgetaucht, die sich mit unheimlicher Schnelligkeit in drohende Hagelwolken verwandelten und zerdehnten, es sah wirklich aus wie gemacht, sozusagen an den ringsum heiteren Himmel gezaubert. Wie die Kühe werden auch Hahn und Henne unruhig bei drohendem Gewitter und hocken frühzeitig auf.

Wenn der Kuckuck viel nach Johanni schreit,
Gibt es böse und teure Zeit.
Kriechen Siebenfüß [Weberknecht] herum, regnet es bald.

Mückentanz,
Schönwetterglanz.

Quelle: Der Burggräfler in Glaube und Sage, Hans Matscher, Bolzano 1933, S. 199ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Dezember 2005.
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