Pfingsten

Am Pfingstsonntage heißt es gut aufpassen, daß man nicht als der letzte aus den Federn kriecht; das gilt als eine Schande und der Faulpelz muß es sich gefallen lassen, den ganzen Tag als „Pfingstdreck" gehänselt zu werden.

Manchenorts wird der Heilige Geist in Gestalt der Taube durch die schon erwähnte Gewölbeöffnung der Kirche herabgelassen, nicht ohne über den Köpfen der Kirchenbesucher weitausgreifende Schwingungen zu vollführen.

Regnet es heute, dann folgen noch sieben Sonntage von derselben feuchten Beschaffenheit. Da eine der sieben Gaben des Heiligen Geistes die Stärke ist, kann man im weinfrohen Burggrafenamte den Spruch hören: "Heut müssen wir geh'n die Stärk' trinken."

Das Fest der Dreifaltigkeit fällt auf den ersten Sonntag nach Pfingsten.

Im Volke kehrt die Zahl drei besonders oft wieder, wenn es sich um alte Überlieferungen, Erfahrungssätze. Hausmittel usw. handelt. Man hat für diese Vorliebe die Dreifaltigkeit verantwortlich gemacht. Die Überlieferungen reichen aber in Zeiten zurück, wo die Bewohner unserer Gegend noch keine Ahnung von diesem christlichen Geheimnisse haben konnten.

Im Etschlande glaubt man, daß dreimal Nießen [niesen] Glück bedeute.

Holzhacker machen auf den Baumstrunk drei Kreuze mit der Hacke, damit die Saligen sich hieher retten können, wenn sie von den wilden Männern verfolgt werden.

Das Nörggele von der Mut sah diesen Berg schon dreimal als Wiese und dreimal als Wald. Zur Beschwörung von Hexen, Teufel und anderer Unbill gibt es die drei Rauchnächte und am Dreikönigstage werden drei Kreuze zu den drei Buchstaben gezeichnet.

Die Bäuerin nimmt dreimal Weihwasser. Wie oft hört man bei uns: „"etzt hab' ich es schon dreimal gesagt", als Bekräftigung, daß man etwas deutlich genug gesagt habe.

Wichtige Dinge werden auch öffentlich "dreimal gesagt" oder verkündet, wie z. B. der Eintritt in den Ehestand.

Man glaubt, daß unrechtes Gut nur bis ins dritte Geschlecht komme.

Die Geister stellen bei ihrem Erscheinen die Fragen dreimal oder verlangen regelmäßig drei Proben. Schatzgräber müssen sich innerhalb dreier Kreise stellen, um vor dem Teufel sicher zu sein. Wer am Palmsonntage drei geweihte Palmkätzchen schluckt, bleibt gesund und ist vor'm Blitz sicher.

Dreimal drei ist neun und darin liegt noch mehr Bestimmtheit.

Wenn z. B. ein altes Weib sich besonderer Zähigkeit erfreut, sagt das Volk, die Alte habe neun Häute (in manchen Gegenden genügen bereits sieben). Von einer Person oder Sache kann man wirklich nicht mehr genug haben als über neun Zäune, hat einer die "Geahwoadl", d. h. muß er einem inneren Trieb besonders oft und schnell gehorchen, sagt das Volk: "Er hat die Sch . . ß über neun Zäun' n'aus!"

Hinter diesen ist inzwischen das Gras mächtig herangewachsen und die Halme sind schon reif zum Schnitt, um in der ausgiebigen Sonne Heu zu werden. Am 8.Juni geraten wir zum hl. Medardus, der einen wichtigen Lostag betreut: "Regnet's zu Medardi", dann regnet's vierzig Tag'", weshalb der heilige auch "Heunässer", wenn nicht gar noch deutlicher „Heubrunzer" genannt wird, in die nächste Woche darauf fällt ein anderer Heiliger, der auch mit dem Nässen zu tun hat, aber mit dem ins Bett, und die kleinen Sünder beten abends mit Inbrunst:

"Heiliger Sankt Veit,
Weck mi zur rechten Zeit
Mit ein' großen Scheit,
Daß es nit ins Bett geit."

Ein wichtiger Patron ist Antonius von Padua (13. Juni).

Er hilft verlorene Sachen wiederfinden, wird aber auch stark von Mädchen angerufen, die noch keinen Mann gefunden haben; namentlich das Mirakelbild in der Kälterer Franziskanerkirche hat diesbezüglich großen Zulauf und man erzählt sich davon auch bei uns:

Eine alte Jungfer (117) flehte den Heiligen inständigst um einen Mann an. Er nickte ihr Gewährung zu, doch sagte er, es sei kein anderer mehr vorhanden als ein ganz Rotbärtiger. Die "Fuchseten" stehen nämlich seit Judas, der rote Haare gehabt haben soll, in einem weniger guten Rufe. (Auch Andrä Hofers Verräter Raffl muß darum rothaarig gewesen sein.) Die alte Jungfer seufzte zwar, antwortete jedoch, lieber als gar kein Mann sei ihr halt noch ein Fuchseter.

Auch ein sog. Stoßgebet zum hl. Antonius finde ich aufgezeichnet:

Heiliger Anton von Padua,
Schick' mir ein' Mann von Mantua,
Der nix verfrißt und nix versauft
Und mit kein' andern Mentsch lauft."

Solch idealen Forderungen werden freilich viele Mannsleute nicht entsprechen, und es darf einen darum nicht wundern, daß es halt immer wieder alte Jungfrauen gibt, und zwar auch von der Gattung, die in ihren jungen Jahren aus Stolz, Übermut, Protzentum u. dgl. Körbe austeilte, um später keinen Freier mehr zu finden. Nur solche müssen als "alte Scheiter" nach ihrem Code ins Sterzinger Moos übersiedeln.

Dort (118) müssen sie allerlei überflüssige Arbeit verrichten, wie z. B. im naßkalten Moorboden stehend das weite Moos mit Fingern nach Spannen immer wieder ausmessen bis zum Jüngsten Tage, müssen Holzscheiter sieben, Ameisen ringeln usw. Erinnert dies nicht an die erfolglosen Arbeiten der Töchter des Danaos, die ihre Freier ermordeten und nun zur Strafe in der Unterwelt beständig Wasser in ein löcheriges Faß schöpfen müssen? Das Leben alter Jungfern wird vom Volke als ein unnützes, unfruchtbares gehalten, das seinen Zweck verfehlte; drum muß es die abgeschiedene Seele fortsetzen als Lohn hartherziger, jugendlicher Sprödigkeit. An einer Stelle, wo eine Brücke (119) übers Moos führt, drängen sich diese unseligen Wesen besonders zusammen und beten eine Litanei: Eine betet vor:

"Mi reut's, daß i nit g'heiratet hab!"
Die anderen: "Mi aa! Mi aa!"

Beim Pfeiler in der Mitte der Brücke ist das Lamento besonders heftig, haufenweise knäueln sich da die Jungfern zusammen und passen, bis ein Fuhrmann (120) über die Brücke fährt. Dann klettern sie hastig am Pfeiler empor, stoßen einander hinab, in der Gier, auf die Brücke zu kommen, und recken begehrlich ihre fleischlosen Arme nach dem Manne, um ihn zu sich ins Moos zu ziehen. Da hat schon mancher, der sich nicht mit der Peitsche gehörig umzugehen getraute, Roß und Wagen in Stich gelassen und Reißaus genommen.

Auch einem Hirten (121) wäre es einmal spätnachts bald sehr übel ergangen. Müde vom Suchen verlorener Ziegen setzte er sich auf einen Stein am Rande des Mooses. Kaum hatte es vom Sterzinger Turme Mitternacht geschlagen, wurde es im Sumpfe lebendig, Flämmchen huschten herum, Gezisch pfiff und fauchte um seine Ohren und es deuchte den Burschen, als starrten ihn viele, viele welke, abgezehrte Gesichter mit lüsternen Augen an. Sie tauchten aus dem Moose auf, wurden zu Gestalten, auf einmal tanzte eine wilde Schar Weiber um ihn herum und schon griff eines nach ihm. Da faßte der Hirt das Bockshorn, stieß mit dem Mute der Verzweiflung darein und die ganze Sippschaft stob auseinander, aber auch er machte sich davon.

Das Volk in seinem Sinne für gerechtes Walten hat auch für die Junggesellen einen Strafort ersonnen. Unmittelbar über das Sterzinger Moos erhebt sich ein Berg, der Roßkopf (122). Angesichts der Jungfrauen müssen die feigen oder bequemen Hagestolze in kalter, windiger Höhe Wolken schieben, alte Jungfern
und magere Kühe plattern u. dgl.

Das Kapitel über diejenigen, die sich mit oder ohne Vermittlung des hl. Antonius gefunden haben, ist im Burggrafenamte nicht sehr ergiebig.

Die Liebschaft zeitigt hier keine sonderlichen Bräuche wie andernorts, wo es ein Gasselgehen gibt, einen Fensterlstritt, Ansingen u. a. Dazu hat der Burggräfler viel zu wenig das Herz auf der Zunge. Manchmal treiben die Burschen lose Spässe.

So (123) lagen in der Turmhalle der Gratscher Kirche lange Zeit zwei lebensgroße, hölzerne Statuen: Maria und Johannes Evangelist. Einem jungen Knecht beim Kircher fiel ein, den Johannes während der Nacht zum Huberbauer zu tragen, um ihn dort beim Fenster der Mädelkammer hineinschauen zu lassen. Als der Bursche mit dem Heiligen auf der Schulter über den Friedhof hinaus war, wurde der Evangelist mit jedem Tritte schwerer. Den Heiligen geradewegs fortzuwerfen, getraute sich der Hallodri doch nicht. Gescheiter, man besinnt sich aufs Beten und kehrt wieder um. Richtig, als der Knecht sich wieder der Kirche näherte, wurde Johannes mit jedem Schritt leichter und er konnte ihn ohne weiteres ablegen, von wo er ihn genommen hatte.

Die gleichen Gedanken spuken manchmal in verschiedenen Köpfen. So hatte ein Knecht beim Huber (124) ebenfalls den freventlichen Gedanken, den Evangelisten beim Walkner fensterln zu lassen, im Anstiege zum Hof sah er plötzlich einen großen schwarzen Hund mit glühenden Augen, der in immer kleineren Kreisen um ihn herumlief, so daß sich der Bursche weder vor- noch rückwärts wagte. Zum Glück trug er eine hochgeweihte Jerusalem-Beten [Rosenkranz] im Hosensacke, mit der er dem Hund ein paar Tüchtige über den Rucken haute, daß weitum die höllischen Funken daraus stoben. Heulend lief das Vieh davon und reumütig brachte der Knecht den Heiligen auf seinen Platz zurück.

Ein zwar oft geübter, aber nicht nobler Brauch ist es, einem heimlichen Liebespaar in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag Sagmehl zu streuen von der Behausung des Burschen bis zur Wohnung des Mädels. Es liegt da wenig Witz drin, doch viel neidisches Behagen am Bloßstellen vor allen Leuten, die Sonntags ins Dorf zur Kirche kommen und Zeit haben, das Geheimnis zweier breitzutreten.

Allgemein verbreitet ist, daß eine Köchin, die die Speisen versalzt, verliebt sei.

Heiratswillige Mädchen sollen der Katze schmeicheln und sie gut füttern.

Macht sich eine Ledige beim Waschen die Schürze recht naß, bekommt sie einen besoffenen Mann.

Wenn eine Magd bei der Wäsche Schönwetter hat, ist ihr der Liebste sehr gewogen, einer Frau der Mann musterhaft treu.

Die Meinung ist, leichter sei ein Star Flöhe zu hüten als zwei Verliebte.

Hat ein Mädel etwas Kleines bekommen, sagt man, sie habe ein Hufeisen verloren oder sie sei vor der Messe zum Opfer gegangen.

Zurzeit als die Nörggelen noch nicht für immer in ihre Höhlen sich verkrochen hatten, machten sie sich sogar die Mühe (125), über die weibliche Tugend zu wachen. Besonders taten sich hierin die Vellauer Nörggelen hervor, die jene Mädchen, welche nachts gern ihre Kammertüre offen ließen, heimsuchten und ordentlich durchplatterten.

 

Quelle: Der Burggräfler in Glaube und Sage, Hans Matscher, Bolzano 1933, S. 117ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, November 2005.
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