Wenn der Bauer krank ist.
Kranker Bauer, Carl Jordan

Beobachtet man den Bauern im Burggrafenamte, allwo er sich in Sitten, Tracht und Dialekt noch rein erhalten hat, in seinem Thun und Treiben, kann man viel Interessantes sehen.

So z. B. den Bauern in seiner Krankheit. Für alle leiblichen Gebrechen hat er eine genaue Eintheilung. Er unterscheidet: Bruch (Beinbrüche), Gschwür, Gschwulsten, die schleichete Krônket (Auszehrung) und die hitzige Krônket.

Bei allen Krankheiten spielt der Wein, an dessen Genuß in Hülle und Fülle unsere Bauern ja gewöhnt sind, eine große Rolle.

Ein Arzt, dem es einfällt, dem bäuerlichen Patienten den Genuß des Weines zu untersagen, verliert das Vertrauen von vorneherein. "Wo sollet denn a Mensch die Krôft hernemmen, wenn er kuan Wein derroacht", meint unser Bauer. "Mit'n Wein, ôber schun an kröftign muast nemmen, derdämpfst viel Krônketn", so lautet eine alte Bauernregel.

Ist der Bauer wirklich so krank, daß er den Wein nimmer hinbringen kann, und ihn, auch der "Hear" (Geistlicher) den gewohnten Genuß abrathet, und er gesundet wieder, so erzählt er mit ganz besonderem Nachdruck: "Woast, Medizinen hôn i kriagt, sie hôbm mi völli derrissn, und a Hitz hôn i kôbt, 's hôt getschitscht, wenn i a Wôsser trunkn hôn. Wia i ober amôl an Wein derglôngt hôn, Mensch, zelm ist die Krôft wieder kemmen."

Fühlt der Bauer, daß ihm "letz" wird, so versucht er die Kur vorerst mit einer kleinen Hand voll Glaubersalz. "Ausputzn" nennt er es mit dem technischen Ausdruck, denn nach seiner Anschauung kommen alle Krankheiten vom Magen. Mit Glaubersalz will er "aufleasn", was ihm "afn Môgn liegt."

Ist es mit der Magenausputzerei nicht genügend und wird ihm "ôlleweil minder", so weiß er auch ein Mittel. Der "Môgn ist schwachelet", lautet seine Diagnose, und er versucht ihn mit "an Halbele an Guatn" zu stärken.

Das Übel will immer noch nicht weichen und die Bäuerin murmelt schon von einer "ungwünschtn Krônket", da wird noch ein kräftiger Versuch mit einem Liter "Gôferawôsser"(Kampferwasser) gemacht und der Patient tritt in ein neues Stadium der Kur, er hütet das Bett.

Bis dato hat er "lei ôlleweil sou umergserbt", bald vor dem Haus in der Sonne, oder auf dem Herd, die Hühnersteige als Sofa benützend, oder auf der Ofenbank.

Eine Eigentümlichkeit ist es, daß der Burggräfler, wenn er unwohl ist, das "Halbfeiertiggwônd", aber immer mit der weißen Schürze, anzieht.

Und nun schwitzt der arme Teufel unter einer Masse von Federbetten, daß ihm "lei sou die Schwächn austeign". Nun scheint doch die "hitzige Krônket“ im Anzug zu sein. Da versucht es die Bäuerin mit "ar Schmirb übern Buggl oi". Halb Dachs- und halb Hirschschmalz, "a fezzele Wôgnschmirb, sell thuat soufl kialn."

Die "Schwächetn" werden aber immer größer, und dazu hat sich noch die "Geawoadl" eingestellt, gegen welche die Bäuerin mit "an einbrenntn Weinmuas" ankämpft.

Der große Knecht, der schon, was Krankheiten anbelangt, "toul mitgmôcht" hat, schüttelt bedenklich den Kopf und schickt um den "Viechdokter", der kommt und imponirt den Umstehenden ungeheuer durch seine Diagnose. "Gelt", sagt er zum Kranken, "a lettigs Maul hôst, gspürst nimmer, ob du an Wein oder an Kaffee oi lôst". "Und an schwarn Grind, und der Bauch ist diar ingsunken." "Und wenn du af an recht an wiachn Bratl denkst, graust di, und wenn du mit'n Kopf schüttelst, thuat 's Hirn schlônzn." "Kriagst holt a die hitzige Krônket, Mensch." "Und die Hitz muast außerschwitzn". "Thiats toul Rebschab in Oufn schürn und nemts zwoa Polsterziachn, füllt sie mit Heuballn und legts sie in Mensch afn Bauch au, so wôrm, als er 's derwährt." Und fangt dann der Patient unter dieser Rosskur an "ôzurödn" (deliriren), dann wird vielleicht der Arzt aus der Stadt geholt.

Gesundet er, sagt man: "Mei der Viechdoktor hôt jô schun soufl fürgrichtet, ma hatt in Dokter gor nit braucht." Stirbt der Patient, lamentirt [lamentiert] alles: "Herrgott, warn miar ban Viechdokter bliebm."

Bei einem Beinbruch wird immer der "Viechdokter" gerufen. "An Stütz inrichtn oder an Ôrm prüglen, sell versteat a Stadtlinger nit."

Das Vertrauen zum Bauerndokter ist ein ungemein großes und hatte ich oft Gelegenheit zu beobachten, daß dieses selbst bei ungelungenen Kuren nicht erschüttert wurde.

Viele Bauerndoktoren erkennen die Krankheit aus dem Urin, oder geben dies wenigstens vor.

Voll Bewunderung erzählt der Bote, wenn er zum Kranken heimkommt: "Er hôt 's Glasl lei a fezzele gschüttelt, nôr hôt er gschwing gsôgt: Afn Boudn siech i 's Fieber, oubm au schwimmt die hitzige Krônket und mittn drin schwimmt die Gelsucht. Wenn de Krônketn zen rafn kemmen, ist der Mensch hin. Ober miar werdn sie schun dermoastern."

Nur muß der Bauerndoktor immer große Quantitäten Medikamente verabfolgen. "A Pülverle hôt miar der Stodtdokter gebm, woast, du derluckest nit a môl in Daum dermit zua. Miar thuat ober die gônze Kripp wea, wia soll denn dös umerglôngn."

Wenn ein Stadtarzt einem Kranken ein Kataplasma verordnet, hat der Apotheker Mühe und Arbeit. Unser Bauerndoktor macht die Geschichte einfacher. Er begibt sich in den Stall und wartet einen geeigneten Moment ab, in welchem dieses in der Apotheke künstlich erzeugte Heilmittel auf dem natürlichsten Wege das Licht der Welt erblickt und erzielt entschieden denselben Effekt.

Geschwüre werden nur mit Pech behandelt. Ein tüchtiges Quantum wird auf einen Lappen gestrichen und je mehr die Geschichte "zuicht", desto größer ist das Vertrauen.

"A larchener Schiefer", sagt der Bauer, "ist wia a Acher (Ähre), er schluift ôlleweil tiafer, lei mit an Pech derzuichstn außer."

Mit der "schleichetn Krônket" gesteht selbst der Bauerndoktor, "ists übel". "Dieselb", so erklärte mir einmal ein solcher, "kimmt in Môrch (Mark) au. Wars in Môgn oder sist af an Ort, kamst leicht zua, ôber in die Buaner kônnst nit inni schliafn. Und ba die Büg in Ruggrôd schaugts Môrch fürcher, und wenn in Leutnen die Lungel zuachn kimbt, fault sie un, nôr ists ferti."

Die "Lunglsucht" kommt nach der Meinung vieler Bauern auch davon her, wenn man erhitzt Wasser oder noch schlimmer Milch trinkt. "Die Lungl ist will a Schwômm, voll Löcher. Wenn ma Wösser trinkt, sou reasch in der Hitz, derschröckt sie, die Löcher zuichts zôm und 's Wôsser in die Löcher drinn fault. Zwögnen selm fault hôlt nôr die Lungl a un, woast."

Die "schleichet Krônket" ist bei unseren Bauern, Dank ihrer Abhärtung, selten zu finden.

Sehr häufig ist der "Wurm" (ein an den Fingerspitzen vorkommendes, sehr schmerzhaftes Beinhautgeschwür). Nach der Meinung der Leute sitzt an der kranken Stelle ein kleiner Wurm, der sich in das Bein hineinfrißt. Gegen dieses Übel ists "Ruabsalbl" das beste Mittel, zu dessen Bereitung "sieben Sôchn" gehören, die nur wenige Sterbliche wissen und auch als tiefstes Geheimnis behandeln.

Vorkommende "Geschwülsten" im Gesicht werden mit " Zuggerpapier" und "Gôfferakreid" behandelt und sollen nicht selten daher kommen, wenn man "a Krout oder a Hötsch (Unke und Kröte) tratzt, nôr spritzn sie oan 's Gift noch."

Um einen Leibschaden zu verhüten, kann man beobachten, wie z. B. beim Holzhacken bei jedem schweren Streich der Arbeiter die Luft mit einem vernehmbaren "Hachsch" von sich stößt. Ebenso werden schwere Lasten immer mit geschlossenen Munde gehoben. Es ist jedoch schon vorgekommen, daß man versuchte, einen frischen Leibschaden mit Pech wieder zu heilen.

Wenn Kinder im Hause erkranken, wird vor allem die Stube geheizt, daß fast der Ofen springt. Dann versucht die besorgte Mutter auf alle Weise dem Kind, selbst wenn es einen Ekel dagegen zeigt, Wein beizubringen. Auch in Branntwein wird allerlei "ungsetzt" z. B. halbreife Nüsse, Traubenkerne, Wermuth, Salbeiblätter u.s.w.

Meistens ist aber die Mutter vom Glauben befangen, dem Kind sei die Krankheit "ungwunschn" und in jedem Dorfe ist ein Weib zu finden, die "eppes kônn", irgend eine Zauberformel, einen Spruch oder dergleichen.

Sind viele Kinder im Dorfe krank, hat die alte Hexe Feiertag in der Küche, denn es fehlt ihr nicht an Eier und Butter.

Ein schlimmes Uebel ist die Untermaiser Krankheit. (Delirium. Die Untermaiser zahlreichen Weinschänken sind am meisten von den Trinkern besucht, daher Delirium unter denselben nicht selten vorkommt). "Wenn die Leut", so sagt der Bauer, "amôl Mäus über die Wand lafn sechn und Hornausn und Bärn ba der Stubnthür inner kemmen, zelm ists letz. Zelm steignen die Geister zen Kopf und woachn 'nen 's Hirn au: Nôr ists ferti."

Quelle: Der Burggräfler, Bilder aus dem Volksleben, Karl Wolf, Innsbruck 1890, S. 103ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, März 2006.
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